Telefonieren war gestern

Eigentlich sind Eltern die idealen Kandidaten für Flatrates der Telefonprovider: Sie verquasseln garantiert nicht den halben Tag an der Strippe vermasseln dadurch den Profit. Oder kennen Sie Leute mit kleinen Kindern, die noch Zeit zum Telefonieren mit Freunden haben?
Fragen Sie Menschen mit kleinen Kindern mal, wann sie das letzte Mal ausgiebig am Telefon mit Freunden gequatscht haben – ich wette, sie müssen lange überlegen, bis ihnen einfällt, dass vor einigen Monaten der Sprössling überraschend 2 Stunden Mittagsschlaf machte und sie selber nicht todmüde oder mit Hausarbeit überlastet waren. Aber das ist ein anderes Thema….
Aus naheliegenden Gründen also greife ich selber so gut wie nie zum Hörer, gehe aber schon ans Telefon, wenn es klingelt – auch wenn die Kinder wach sind. So war es auch gestern: Titus „half“ mir beim Aufhängen der Wäsche, als Petra anrief. Beherzt griff ich mit der rechten Hand zum Hörer, fummelte mit der Linken die restlichen Socken auf die Leine und begann ein Gespräch.
Christine Finkes Glosse
Telefonieren war gestern (© panthermedia.net, Monkeybusiness Images)
Ganze zwei Minuten ging das gut, bis meinem lieben Sohn langweilig wurde. Er stratzte rüber zum Ehebett und beförderte mit seinen drallen Ärmchen die beiden Bettdecken und Kissen auf den seit mehreren Wochen (aus Zeitmangel, ich schwöre es!) nicht mehr gestaubsaugten Fußboden. Nun ist unsere Bettwäsche strahlend weiß – aber nicht mehr, wenn sie durch den Staub gezogen wird. Das galt es also zu verhindern, wenn ich nicht gleich die nächste Waschmaschine anstellen wollte.
Ich drängte Titus erfolgreich vom Bett in Richtung Fenster, was er aber als Inspiration verstand, sich an meinen linken Arm zu hängen und an mir zu ziehen. Dabei gerieten wir gefährlich nahe an die Stahltreppe zum unteren Geschoss der Maisonette. Wie ein kleiner Lemming steuerte er auf die oberste Treppenstufe zu. Mein Herz sank, der Blutdruck stieg, und ich verhinderte ein größeres Unglück, indem ich mir Titus 14 Kilo Lebendgewicht auf die linke Hüfte nahm und mich mit Telefon in der rechten Hand auf den Weg ins Wohnzimmer machte. Dort angekommen, setzte ich meinen Sohn auf dem Balkon ab und wähnt mich auf der sicheren Seite.
Aber kaum hatte ich mich umgedreht, um das Gespräch in Ruhe weiterzuführen, hörte ich ein leises Plätschern hinter mir. Titus zog wirklich alle Register: er pinkelte auf den Balkon! (Er ist erst zwei und läuft bei gutem Wetter zuhause ohne Windel). Ich rang mit der Fassung, gab dann aber klein bei und mich dem Lachen hin. Meine kinderlose Freundin seufzte gleichermaßen resigniert wie verständnisvoll, bevor sie mich meinem Aufwisch-Schicksal überließ und das Gespräch beendete.
Wenn ich genau darüber nachdenke, sollten Kinderlose, die mit Menschen mit Kindern befreundet sind, auch bevorzugte Kandidaten für Telefonflatrates sein…
Von Redakteurin Christine Finke