Wie das kommt? Beim Frühstück ist noch alles im Lot. Aber sobald wir uns für den Tag mit den Temperaturen angemessenen Kleidungsstücken rüsten wollen, geht das Theater los: Wenn ich mit Strumpfhose, Hose und Pulli anrücke, nimmt mein Süßer Reißaus. Und zwar wortwörtlich – er spielt Fangi mit mir.
Zwei Runden flitze ich ihm rund um den Esstisch hinterher, rudere mit den Armen und versuche ihm ruhig, aber autoritär zu verstehen zu geben, dass er innezuhalten habe. Mit null Erfolg. Am Ende kauert er mit seinen nackten Beinchen quietschvergnügt unter einem Stuhl oder dem Tisch.
Jetzt heißt es zupacken, einen flotten Spruch auf den Lippen („Hab ich dich!“), damit die Stimmung nicht in den Keller sinkt und der bevorstehende Kraftakt durch Geheule unnötig erschwert wird. Zu diesem Zeitpunkt bin ich zwar außer Atem, aber noch normal temperiert.
Nun kommt erst die richtige Herausforderung: dem kleinen Widerspenstigen die Strumpfhose über die zappelnden Beine zu stülpen. Er geht sofort zum Gegenangriff über und versucht, das gute Stück wieder auszuziehen, während ich nach der Hose greife. Derweil vollzieht er unglaubliche Kunststücke mit seinem Oberkörper, um mich aus dem Konzept zu bringen.
Der Junge hat mit seinen 14 Kilo eine erstaunliche Kraft und Geschicklichkeit! Beim Anziehen der Hose jault er vor Ärger. Nun muss ich ihn auf den Boden stellen, damit ich die Hose hochziehen kann. Sofort nutzt er die Chance, sich davonzumachen. Aber der Pulli muss noch über den kleinen Dickkopf, und so spurte ich ihm nach.
Kann es sein, dass der Kopf sich ausdehnt, während man versucht, ihn durch die dafür vorgesehene Öffnung zu drücken? Das muss ganz klar so sein, denn egal, wie breit der Ausschnitt ist, es gibt einen Riesenzirkus. Mir wird heiß. Nun müssen noch die Arme in die Ärmel, ohne abzubrechen. Geschafft! Das Kind und ich stehen mit hochrotem Kopf im Wohnzimmer und sind leicht erschöpft von der gemeinsamen Anstrengung.
Ulkigerweise läuft mein Süßer exakt jetzt zur Garderobe und verkündet „Sacke (Jacke) an!“ – nun kann es ihm nicht mehr schnell genug gehen. „Müsse (Mütze) an!“, ruft er als Nächstes. Die Schuhe sind danach fast ein Kinderspiel. Bloß beim Binden der Schnürsenkel packt ihn wieder der Bewegungsdrang.
Wie unpraktisch, ist doch das Schleifebinden bei wackelnden Schuhen ein echtes Kunststück. Wenn Sie es mal ausprobieren wollen, besuchen Sie mich. Schaffen Sie es in weniger als 5 Minuten ohne Schweißausbrüche, mein Kind anzuziehen, verleihe ich Ihnen einen Orden!
Foto: © Nadezhda Kulagina für istockphoto.com