Vor einigen Jahren war ich noch ein Mensch. Ich sagte die meisten Dinge einmal – vielleicht erzählte ich auch eine gute Geschichte mehreren Freundinnen. Doch dann begann meine Verwandlung, ja man kann wohl sagen, die Mutation.
Denn ich wurde Mutter. Es fing harmlos an. Ich sprach mit meiner neugeborenen Tochter. Naheliegenderweise waren das eher Monologe. Doch ziemlich schnell merkte ich, dass ich immer wieder die gleichen Worte sprach: „Hast du Hunger?“ oder „Na, du hast es aber eilig.“ Gern auch: „Du stinkst. Ab auf den Wickeltisch. Schön den Popo hoch.“
Und obwohl das Töchterchen sich eifrig bemühte auch Worte zu bilden, merkte ich, dass das wiederholte Reden nicht weniger wurde. Es gab jetzt zwar auch Dialoge, aber einige Sätze sagte ich immer wieder.
Als das Kind stubenrein werden sollte, war mein häufigster Satz: „Musst du?“ knapp gefolgt von: „Schnell die nasse Hose aus.“ Später gesellte sich noch der kleine Bruder dazu. Die Gesprächstiefe gewann dadurch irgendwie nicht. Nur die Frequenz von Sätzen wie: „Ziehe schon mal die Schuhe an.“ oder „Nicht so laut.“
Sitzte ich am Tisch, dann unterhalte ich mich gar nicht mehr. Ich frage: „Salami, Bärchenwurst oder Lieblingskäse?“, schneide Brot in Häppchen (gern auch mal für meinen Mann) und murmle immer wieder ein: „Iss dein Brot auf, nicht die Finger in den Trinkbecher“ vor mich hin.
Ganz klar, beide Kinder sind mittlerweile im Kindergarten und die Verwandlung ist fertig. Ich sage immer wieder das Gleiche. Ein Papagei? Nee, ich bin ja eine Mutter. Also ganz klar ein Mamagei.
Ein Mamagei, der täglich den Satz „Muss ich alles drei Mal sagen?“ bestimmt 50 mal sagt. Ansonsten dürfte der Satz: „Warte eben. Ich habe gesagt, warte eben!“ sehr oft vorkommen. Und „Finger aus der Nase“. Dezente Hinweise darauf, Socken/Schuhe/Jacken und Mützen aufzusetzen nicht zu vergessen. Und natürlich der Klassiker: „Zimmer aufräumen!“
Und ich sage ständig „Wie gesagt“. Nicht zu den Kindern. Aber immer wieder werden Gespräche und Telefonate unterbrochen. Und dann suche ich den Gesprächsfaden – der leider ein Wollknäul geworden zu sein scheint. Und sage dann soetwas wie „Ja, also neulich im Kindergarten, wie gesagt, da meinte doch die Dingens zu mir…“
Das Nette an einem Mamagei ist nicht nur, dass er sich wiederholt. Das kleine Tierchen ist ein bescheidener Reste-Esser. Pickt übrig gebliebene Brotreste auf und ernährt häufig von Häppchen – denn nicht nur für Papagei, auch für sich selbst beginnt das Federvieh alles klein zu schneiden.
Manchmal frage ich mich, ob diese Verwandlung auch wieder rückgängig zu machen ist. Ich möchte manchmal wieder ein Mensch sein und Dinge nur einmal sagen. Wie gesagt, ich möchte manchmal wieder ein Mensch sein und Dinge nur einmal sagen. Dabei fällt mir ein, haben Sie sich schon die Schuhe angezogen? Wie oft muss ich das denn noch sagen?