Wasser? Das ist wirklich nicht das Element meines Sohnes. Lasse ist der Badewannen-Terrorist, nun hat er erfolgreich an einem Sozialisierungs-Projekt teilgenommen. Das Wunder: er brüllt wirklich nicht mehr in der Wanne und setzt sich gelegentlich sogar hinein.
Da seine dreijährige Schwester ein wahrer Wasserfloh ist und seit ihrem ersten Lebensjahr zum Babyschwimmen geht, war es also nun an der Zeit, unseren Sohn an so einem schönen Bewegungsprogramm teilhaben zu lassen -dachten wir Eltern.
Lange versuchte Lasse, dieses Vorhaben durch gezielten Einsatz von Viruserkrankungen oder Übelkeit im Keim zu ersticken. Doch an einem kalten Novembersamstag war es soweit. Unser Junior ging zum Babyschwimmen. Und ich musste mit.
Mein Sohn war gut vorbereitet. Ich ahnte, dass er eine Terrorattacke im Schwimmbad plante. Aber wann und wie würde er zuschlagen? Oder hatte er wirklich Frieden mit dem Wasser geschlossen?
Beim Ausziehen war er noch sehr fröhlich, freute sich über die Badehose mit den Autos und über Mamas dicken Bauch im Badeanzug. Dann sollte er barfuss durch das Bad gehen. Und ein bisschen Duschen. Und ich war gespannt – wie sah sein Plan aus? Oder würde er wirklich friedlich plantschen?
Kaum waren wir Nassbereich angelangt, zog Lasse seinen unsichtbaren Tarnanzug an. Er spielte Mäuschen. Mein drahtiger, lauter und meist fröhlicher Sohn klammerte sich ängstlich an mich und riss die Augen erschrocken auf. Wir duschten nur ganz kurz und machten uns dann auf den Weg zum Lehrbecken.
Dort wurde schon fröhlich geplanscht. Etwa zwölf Kleinkinder waren mit ihren Müttern oder Vätern im Wasser. Einige hatten Schwimmflügel, andere hatten Schwimmreifen. Lasse entschied sich für einen Reifen mit Bärchenmotiv. Leider konnte er ihn nicht halten, schließlich musste er mich so fest umklammern, als ob sein Leben davon abhing.
Er brüllte nicht. Er meckerte nicht. Er schwieg nur ängstlich. Die Kursleiterin begrüsste alle Kinder. Wir bildeten einen Kreis. Und dann ging es los: Wir sangen Lieder, die Kinder rutschten, sie sammelten Plüschdinos aus dem Wasser und durften sie in eine Wanne legen, sie plantschten in einem Wasserstrudeln und übten Rückenschwimmen. Naja. Nicht alle Kinder. Eines klammerte sich die ganze Zeit an seine Mutter und fragte mit leiser Stimme alle fünf Minuten „Mama-Lasse nach Hause gehen? Anziehen?“ Die Plüschdinos fand er immerhin gut, er hob einen Mundwinkel leicht an. Tragen konnte er ja leider keinen, da er sich ja festhalten musste.
Doch auf das zaghafte Lächeln folgte ein großer Schrecken: die Kinder sollten auf den Beckenrand klettern. Das gefiel meinem Sohn zunächst. Endlich wieder Boden unter den Füßen. Dann hieß es: Runterspringen und Tauchen. Allein der Anblick der anderen Kinder unter Wasser ließ Lasse zur Salzsäule erstarren. Mit viel Zureden konnte ich ihn dann immerhin dazu bringen, in meine Arme zu springen. Schließlich war der Kurs nach 45 Minuten zu Ende.
Ich kam mir irgendwie gemein vor. Ich wollte nicht, dass mein Sohn Angst hat, er sollte doch planschen und Spaß haben. Sein unglückliches Gesichtchen konnte ich kaum ertragen.
Doch kaum das Abschiedslied verklungen und wir standen in der Dusche, fiel die Tarnung. Er hatte keine Lust mehr still zu sein. Er brüllte. Nicht etwa, dass er unter den Wasserstrahl sollte – er fand es unverschämt von mir, mich abbrausen zu wollen. Die Schreiattacke war ohrenbetäubend, aber dann kam mir die rettende Idee. Ich drückte Lasse den Duschkopf in die Hand und er durfte erst mich und dann sich abduschen. Er quietschte – diesmal vor Vergnügen.
Als wir aus dem Schwimmbad kamen, nach einem überraschend friedlichen Anziehen, begrüßten wir den Rest der Familie. „Lasse Kinnerschwimmen, Mama auch,“ erklärte Lasse mit fröhlichem Gesicht. Mein Mann und ich sahen uns an. War da ein Wunder passiert?
Drei Wochen und drei Babyschwimmeinheiten später: ja, es ist wirklich passiert. Das Wunder vom warmen Nass. Lasse ist noch immer kein großer Wasserfreund, aber er mag das Kinderschwimmen. Das Rutschen, Plantschen, vom Becken springen und vor allem das Singen. Die Idee, zu tauchen, findet er zwar noch immer furchtbar und er hält sich auch noch immer eifrig fest. Aber der Bärchen-Schwimmreifen und Mama oder Papa passen schon auf. Sozialisierungsprojekt Terrorist und Wasser bisher erfolgreich…