Wird sich jemand finden, der sich bereit erklärt, das unbegehrteste Ehrenamt Deutschlands auszuüben, nämlich Elternvetreter zu werden?
Zuerst lief es ganz gut – der Lehrer stellte sich vor und sprach über den Lehrplan und seine Vorstellungen vom Unterricht. Dann geschah das Unerwartete: Die Lehrkraft kündigte an, nun den Raum zu verlassen, da erwachsene Menschen sicher prima ohne ihn regeln könnten, wer Elternvertreter wird.
Für Uneingeweihte: Ohne die vollzogene Wahl eines Elternvertreters wird weder ein Elternabend im Kindergarten noch in der Schule aufgelöst. Denn wer denkt, der Posten könne einfach unbesetzt bleiben, irrt – die Lehrkraft/der Erzieher lässt die Gruppe so lange schmoren, bis sich irgendein Anwesender erbarmt und erklärt, er stelle sich zur Wahl.
Der Lehrer schritt also entschlossen aus dem Klassenzimmer, die etwa 30 anwesenden Eltern betrachteten zuerst die Gesichter der anderen entsetzt und fixierten dann, wahrscheinlich noch ein Reflex aus Schulzeiten, den Linoleumboden. Quälende 2-3 Minuten lang harrten wir so aus. Dann fand sich eine Wahlleiterin (clever, denn damit war sie selber schon mal aus dem Schneider!), die sich optimistisch zur Tafel begab, um die Namen der Kandidaten dort niederzuschreiben.
Allein – es meldete sich niemand. Geschlagene 8 Minuten lang demonstrierten die anwesenden Eltern beeindruckende Ausdauer: Man schwieg, betrachtete die abgewetzten Tische, lauerte auf einen Freiwilligen, der dieses Trauerspiel beenden würde. Ich war gerade zu der Überzeugung gelangt, dass der Lehrer den Raum nach den angekündigten 15 Minuten wieder betreten würde, ohne dass wir einen Elternvertreter präsentieren würden können – da erbarmte sich eine Mutter und sprach „Na, gut, wenn’s gar keiner machen will, dann stelle ich mich zur Wahl. Aber nicht alleine.“ Die Frau hatte Mumm, denn sie ging gleich einen Schritt weiter: „Peter, deine Handynummer habe ich schon – machst du mit?“ Der als Peter angesprochene zierte sich nur kurz und willigte dann ein. Ein Aufatmen ging durch den Raum.
Sie glauben gar nicht, wie schnell diese Elternvertreterwahl abgeschlossen war. 28 Hände schnellten in die Höhe, als in nicht geheimer Wahl gefragt wurde, wer dafür sei, dass diese Beiden das Amt bekleiden sollten. Von solchen Wahlergebnissen träumen selbst südafrikanische Diktatoren! Dem in Windeseile nach dem Wahlvorgang wieder in den Raum schreitenden Lehrer konnte die Elterngemeinschaft stolz das Ergebnis der Wahl präsentieren.
Bildete ich mir das ein, oder sah der Lehrer überrascht drein? Ich hege nämlich seit gestern den Verdacht, dass es normal, ist, für Drittklässler nur widerstrebende Elternvertreter zu finden…Oder wie ist das an Ihrer Grundschule?
Von Redakteurin Christine Finke