Glosse: Der Badewannen-Terrorist

Ein schönes Schaumbad: lustig plätschern, mit Schaum spielen und danach gemütlich kuscheln? Das geht bei uns nicht. Denn mein Sohn hasst es, in die Wanne zu müssen.
Vielleicht ist der Eimer schuld. Denn für das Töchterchen hatten wir noch so einen speziellen Badeanfänger-Tummy Tub. Eines von diesen Dingern, die eben aussehen wie ein Eimer und in denen das Kind sich wie im Mutterleib fühlen soll.
Beim erstem Bad des Sohnes stand stattdessen eine hübsche weiße Babywanne parat. Viel praktischer, dachte ich, denn der Eimer hatte immer doppelten Elterneinsatz benötigt (einer hält fest, einer wäscht). Und da der kleine Mann von Anfang an ein ziemlicher Brocken war, kam uns die Wanne von den Ausmaßen her auch passender vor.
Doch wir hatten nicht mit ihm gerechnet. Mit unserem Badewannen-Terroristen. Gleich beim ersten Bad gab er seine Tarnung auf. Als sein kleiner Körper das Wasser zu spüren bekam gab es für ihn nur eins: brüllen. Und zwar laut.
Der zweite Badetest gestaltete sich eine Woche später als grössere Herausforderung: wie bugsiert man ein krebsrotes, verzweifelt schreiendes Kind, das jeden Muskel anspannt in eine Wanne? Wir machten ein Friedensangebot und stiegen erst einmal auf einen Waschlappen um.
Ich gebe es zu, ich war es, die das Kriegsbeil immer wieder ausgrub. Von der Idee, meinen Sohn in einer Wanne zu säubern, mochte ich mich einfach nicht trennen. Denn mit zunehmendem Alter war er schlichtweg dreckig. Breispuren, Matschreste und angesabberte Kekskrümel klebten an seinem Körper und in seinen Haaren. Und auch der Waschlappen stieß nicht auf sonderlich viel Gegenliebe.
Wir versuchten alles. Frei nach dem Motto: „Jedes Kind kann baden lernen“. Der Junge badete morgens. Brüllen! Abends. Brüllen! Mit Mutter, Vater oder Schwester: Brüllen!
Ich schleppte diverse Enten, Boote und Badebücher an. Schaumbäder wurden eingelassen. Und auch das Söhnchen verfeinerte die Taktik. Esbrüllte nicht nur, es wehrte sich auch mit so heftigem Körpereinsatz, dass das Bad und mindestens ein Elternteil völlig überflutet waren.
Mittwochs war Badetag. Ich hatte den Eindruck, dass die halbe Nachbarschaft schon sicherheitshalber in schallgeschützte Ausweichquartiere geflüchtet war. Aber es half nichts. „Jedes Kind muss jedenfalls sauber werden,“ sagte ich mir. Und hoffte auf den Sommer und Freude am Planschen im Badesee.
Das Kind tarnte sich zwar mit niedlichen Schwimmflügeln und konnte dem Buddeln am Wasser durchaus etwas abgewinnen. Aber wehe, es sollte ins Wasser gehen. Sanftes Eintauchen seiner Füße bei 30 Grad Außentemperatur und über 25 Grad Wasserwärme wurde mit den üblichen Wutausbrüchen kommentiert.
Babyschwimmen? Nun ja. Wir wollten ja. Haben sogar Streichhölzer gezogen, welches Elternteil denn nun hinmüsse. Aber unser Sohn hatte eine Gegenstrategie: auffällig viele Erkältungsattacken machten den Schwimmbadbesuch unmöglich.
Der Wille zum kindlichen Frieden mit dem Wasser kam völlig unerwartet. Wir waren mit beiden Kindern in einem Spaßbad. Der Kinderbereich hatte ein großes, flaches Planschbecken. Wasserhöhe ca. 20 Zentimeter. Das Wunder geschah: der junge Mann ging freiwillig ins Wasser, das ihm nicht ganz bis zu den Knien reichte. Er lief fröhlich auf und ab. Im Wasser! Und fing an zu planschen und zu lachen. Schließlich setze er sich sogar hin.
Seitdem können unsere Nachbarn aufatmen. Der Terrorist hat zwar noch nicht alle Waffen abgegeben, nimmt jetzt aber an einem friedlichen Resozialisierungsprogramm teil: wir lassen nicht zuviel Wasser in die Wanne ein und er darf selbst bestimmen, ob er sich hinsetzt oder lieber im Stehen gewaschen werden möchte. Wundersamerweise schimpft er nun nicht einmal mehr beim Haarewaschen. Diese Disziplin überlässt er lieber seiner Schwester.