Ein Aufschrei ging durch die virtuelle Welt. Sexismus und Diskriminierung, Themen, die unsere Gesellschaft und unseren Alltag noch immer prägen. Auch Mütter und Väter sind Betroffene. Oft ist die Grenze zwischen „blöden Bemerkungen“, Mobbing und Diskriminierung nicht sofort zu erkennen und viele Betroffene schämen sich oder fühlen sich einfach nur hilflos.
Drei Fälle – wo beginnt Diskriminierung?
Karen* ist eine von ihnen. Die 34jährige Projektmanagerin arbeitet seit zwei Jahren für ein mittelständiges IT-Unternehmen. „Ich habe in meiner Abteilung ziemlich eigenständig gearbeitet und wichtige Projekte geleitet. Kundenbesuche und viele Auslandsreisen gehörten zu meinem Berufsalltag.“ Als Karen schwanger wurde, freute sie sich. Denn sie und ihr Mann hatten sich schon lange Nachwuchs gewünscht. „Wir sind jetzt schon acht Jahre verheiratet. In den ersten Jahren wollten wir uns beide auf den Beruf konzentrieren, aber dann fühlte sich die Zeit einfach richtig an für die Familiengründung.“
In den ersten Wochen der Schwangerschaft schweigt Karen im Job. „Ich hätte es sicher früher erzählen können. Aber dazu gibt es ja keine Verpflichtung. Meine Schwester hatte drei frühe Fehlgeburten, ich wollte lieber sicher sein, dass die Schwangerschaft bleibt.“ Als Karen in der 15. Schwangerschaftswoche ist, sucht sie das Gespräch mit ihrem Chef. Der fiel aus allen Wolken. „Das ist echt das Letzte. Damit ich habe ich nicht gerechnet“, waren seine Worte. Karen war sprachlos. „Mehr wurde erst nicht gesagt. Aber eine Woche später bekam ich eine Mail. Ich sollte sofort die Verantwortung für den neuen Kunden, den ich gerade übernommen hatte, an einen anderen Kollegen geben.“

Innerhalb von vier Wochen hatte der Chef Karen sämtliche Aufgaben abgenommen. „Begründet wurde das damit, dass ich ja nicht mehr reisen könne. Meine Kollegen mussten nun mehr arbeiten und waren entsprechend sauer auf mich.“ Karen ging trotzdem weiter zur Arbeit. „Ich hoffte, dass es sich wieder einrenkt“. Doch kurz vor Beginn des Mutterschutzes gab es ein letztes Chefgespräch.
„Ich wollte klären, wie es nach einer einjährigen Elternzeit weiter gehen könnte. Doch mein Vorgesetzter erklärte nur knapp, wir bräuchten nicht reden. Mein Vertrag würde nicht verlängert werden.“ Damit hatte Karen nicht gerechnet, die Entfristung hatte sie für eine reine Formsache gehalten. Heute ist sie Mutter eines fröhlichen Sohnes von 18 Monaten. „Seit gut zehn Monaten schreibe ich Bewerbungen. Aber bisher erfolglos.“
Doch nicht nur Mütter werden ausgegrenzt. Auch Marc* musste diese Erfahrung machen. Der Grafik-Designer arbeitet in einer Full-Service-Werbeagentur. „Das Team war schon so etwas wie meine Familie“, erklärt er. Zunächst freuten sich alle über den Nachwuchs. „Mir war es wichtig, dass ich auch bei meiner Kleinen bin, darum habe ich zwei Monate Vaterschaftsurlaub genommen.“ Als Marc nach den acht Wochen Auszeit wieder kam, merkte er, dass ihm der Anschluss schwer fiel. „Es gab ewig lange Meetings. Oft am Abend. Wer zuerst ging, der war der Looser“, sagt er.
Marcs Vorschläge fanden plötzlich keine gute Resonanz mehr bei seinem Chef, immer wieder musste er seine Entwürfe überarbeiten. „Erst waren es nur kleine verbale Spitzen, dann wurde mir offen erklärt, dass ich scheinbar nicht mehr in der Firma anwesend sei.“ Denn Marc ging jeden Tag pünktlich nach Hause. Er wollte nicht nur sein schlafendes Kind sehen. Als die Atmosphäre in der Agentur immer schlechter wurde, kündigte er, heute arbeitet Marc als Freiberufler. „Ich finde es schade, dass es in so vielen Firmen nicht um die Ergebnisse geht, sondern darum, wie lange jemand anwesend ist. Ich hoffe sehr, dass da ein Umdenken stattfindet.“
Auch Anna* fühlt sich diskriminiert. Sie arbeitet als Bürokauffrau in einer kleinen Firma. „Eine Kollegin hat vor kurzem ein Kind bekommen. Ungeplant ist sie nun alleinerziehend und möchte schon früher aus der Elternzeit zurück kommen.“ Anna ging zu ihrem Chef und bot an, dass sie Stunden reduziert. „Ich habe ganz offen erzählt, dass ich auch gern ein Kind möchte und dass ich mir dann ja langfristig mit der Kollegin den Job teilen könnte.“ Doch die Reaktion des Chefs war anders als erhofft. „Er hat erklärt, dass er keine Lust auf ein Krabbelgruppen-Team hat. Ich wurde dann glatt in eine andere Abteilung versetzt.“
Beruf und Familie – im Alltag noch immer sehr schwierig
Viele Eltern und Menschen mit Kinderwunsch haben ähnliche Erfahrungen gesammelt. Wie wäre es mit der Einführung einer Mütter- oder statt einer Frauenquote? Doch wie sollten sich Arbeitnehmer in solchen Fällen verhalten? Was kann besser werden?
Jasmin Link ist die Vorsitzende des Verbandes berufstätiger Mütter e.V. Die 31jährige Informatikerin kennt die Probleme von Eltern im Job – sie selbst ist Mutter von zwei kleinen Töchtern. „Als meine jüngste Tochter zwei Monate alt war, habe ich wieder angefangen 15 Stunden in der Woche zu arbeiten. Weil ich meinen Job mag.“
Es sind „kleine“ Bemerkungen, Kommentare wie „So früh schon wieder arbeiten, auch wenn es nicht sein muss?“, die weh tun. „Es herrschen noch immer sehr starre Rollenbilder vor, eine Mutter gehört zum Kind. Darum werden Mütter auch weniger auf Dienstreisen geschickt und durchaus auch im Berufsleben benachteiligt.“ Auch wenn einiges schon besser werde, noch immer fehlten gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Sollte ein Kinderwunsch denn überhaupt angesprochen werden? Immerhin ist es ja sogar erlaubt, in Bewerbungsgesprächen bei diesem Thema unehrlich zu sein? Jasmin Link kann das Vorgehen von Anna verstehen, rät aber generell zur Zurückhaltung. „Vom Kinderwunsch bis zur Verwirklichung kann ja viel Zeit vergehen.“ Generell sollte diese vom Betriebsklima abhängig und individuell entschieden werden. Und gut durchdacht sein, genau wie die Mitteilung einer Schwangerschaft.
„Vor dem dritten Monat würde ich auch noch nichts mitteilen“, sagt sie. Oft sei es ratsam andere Eltern im Betrieb nach deren Erfahrungen des besten Vorgehens zu fragen. Ist der Betrieb als familienfreundlich zertifiziert? Gibt es einen Betriebsrat? „Ein Vernetzen mit anderen Eltern im Betrieb ist meist sehr sinnvoll.“ Hier könne man sich auch, wie in Fällen einer Ausgrenzung wie bei Marc oder Karen, Unterstützung holen.
Als Schwangere selbstbestimmt auftreten
Wie familienfreundlich ist ein Unternehmen wirklich? Das erfahren die meisten Mitarbeiter erst, wenn sie Eltern werden, denn wer nicht betroffen ist, nimmt vieles vorher nicht wahr.
Eine Schwangere sollte sich gut überlegen, wann und wie sie mitteilt, dass sie ein Baby erwartet, erklärt die Vorsitzende des Verbandes berufstätiger Mütter e.V. „Wichtig ist vor allem ein klares Auftreten. Dem Chef und den Kollegen mitteilen, wie die Arbeit während der Schwangerschaft und vor allem danach weiter gehen soll. Wer übernimmt die Betreuung? Wie und wann stelle ich mir den Einstieg vor?“ Vorher sollten werdende Eltern diese Themen selbst gut klären, betont Jasmin Link. Ist die Atmosphäre in einem Unternehmen denn so, dass die Rückkehr wirklich gewünscht ist? Inwieweit herrscht eine Präsenzpflicht, welche Angebote gibt es für Eltern?
Fehler vieler Eltern: klare Absprachen fehlen
Welcher Fehler macht das berufliche Leben für junge Eltern besonders schwer? „Ganz wichtig ist es, dass beide Partner schon in der Schwangerschaft verbindliche Absprachen zur Kinderbetreuung treffen“, sagt Jasmin Link. Wer betreut wie lange das Baby? Wer nimmt Elternzeit? Und was genau sind die Aufgaben desjenigen, der zu Hause bleibt? „Wer vorher voll im Erwerbsleben stand, kann gar nicht einschätzen, was es bedeutet, Hausfrau zu sein und ein Baby zu versorgen. Wer das nicht klar vorher abspricht, fällt oft unbewusst in alte Rollenbilder.“

In Deutschland arbeiten viele Mütter nach der Elternzeit in Teilzeit. Nicht immer freiwillig. Ein Grund ist noch immer das nicht ausreichende Betreuungssystem. Auch das Ehegattensplitting sorgt dafür, dass das kleinere Einkommen sich oft nicht rentiert. Bei vielen Frauen können durch die Elternzeit befristete Verträge weiter nur befristet werden. „Auch das ist Diskriminierung“, sagt Jasmin Link. Kompetenzen von Eltern, die als Familienmanager gelernt haben, vieles zu organisieren, die zuverlässig und motiviert sind, werden in Unternehmen oft nicht genug geschätzt.
„Generell wäre ein gesellschaftliches Umdenken wichtig. Mütter und Väter, die arbeiten wollen, auch wenn sie es nicht müssen, sollten nicht schief angeguckt werden. Und Eltern, die zu Hause bleiben möchten, sollten dies auch tun dürfen.“ Dies sei gerade für Väter oft schwierig. „Eltern sollten sich nicht entmutigen lassen. Wer sich klug macht und die rechtliche Lage kennt, kann seine Rechte besser durchsetzten.“ Ein Beispiel ist der Wiedereinstieg in Teilzeit, denn auch wenn Vorgesetzte es nicht schätzen, auch mit 15 Stunden ist dieser oft möglich.
Der Verein berufstätiger Mütter e.V. hat einen Leitfaden für Mütter und diejenigen die es werden möchten herausgegeben. Der Ratgeber ist auch für Väter interessant und bietet kompakte Information und wertvolle Tipps wie Alltag mit Beruf und Kindern aussehen kann und wo in diesem Dschungel Fallen lauern. Hier kann es für „Das VBM Dschungelbuch“ für € 7,00 (plus Versandkosten) bestellt werden.
*Name von der Redaktion auf Wunsch geändert