Nudeln pur – ohne Soße und bloß nichts Grünes? So könnte nach dem Wunsch vieler Kinder der Speiseplan aussehen. Und zwar täglich. An sieben Tagen in der Woche. Eltern sind oft besorgt und manchmal richtig verzweifelt, wenn der Nachwuchs gesunde Kost in jeder Form verweigert. Kleine Kinder im Wachstum sollten gesund und ausgewogen essen, viel Obst und Gemüse zu sich nehmen und auch möglichst vollwertig essen – das wissen aufgeklärte Eltern. Aber die Kinder interessiert das meist herzlich wenig. Vollkornnudeln? Gefüllte Zucchini? Aubergine? Spinat? Das mögen etliche Kinder nicht. Es gibt Kinder, die sehr mäkelige Esser sind. Andere verweigern sogar jede Form von Gemüse und bringen ihre Eltern damit zur Verzweiflung.
Der Traum vom fröhlichen Essen am Familientisch

Gemeinsam am Tisch sitzen, etwas Schönes zu sich nehmen und ein Mahl fröhlich am Familientisch genießen, davon träumen Eltern und denken so ein bisschen an ein Idyll aus der Werbung. Doch im Gegensatz zu diesem Traumbild ist das Essen im Alltag oft gar nicht einfach. Tägliches Kochen und Tisch decken ist oft stressig – und wenn dann auch noch am Essen herumgenörgelt wird, erreicht die Stimmung oft einen Tiefpunkt.
Neben dem Hickhack um Tischmanieren bewegen Eltern auch gesundheitliche Sorgen: Wird mein Kind schlecht wachsen, könnte es wegen einer Mangelernährung krank werden? Eltern von kleinen Kostverächtern bekommen viele kluge Tipps und Ratschläge und fühlen sich oft so verzweifelt, dass ihnen jede Maßnahme recht erscheint. Manchmal geht es aber dann irgendwann auch um mehr als das Essen. Dann geht es um den Frieden am Tisch und das Essen – oder das Nicht-Essen von Gemüse wird zu einem Machtkampf.
Manche Mütter und Väter greifen zur Erpressung und locken das Kind mit dem geliebten Nachtisch. „Wenn du den Spinat isst, dann darfst du auch Pudding.“ 1:0 für Mama, weil ein Löffel Spinat in den Kindermund gewandert ist? Andere denken sich raffinierte Rezepte aus, in denen püriertes Gemüse so versteckt ist, dass es nicht bemerkt wird und dann doch gegessen wird. Und auch diese Eltern freuen sich über ihren Erfolg. Mamas und Papas, denen es mehr um den Frieden als um Vitamine geht, entscheiden sich dazu, Verlierer im Machtkampf zu sein und kochen einfach nur noch Pfannkuchen und Nudeln. Das geht leichter. Ein konsequent verweigerndes Kind geht als Sieger über die Menü-Pläne hervor.
Eltern sind für das Essverhalten ihrer Kinder verantwortlich
Tatsächlich wird auf Eltern viel Druck ausgeübt. Sie sind für die Gesundheit des Kindes verantwortlich, prägen das spätere Essverhalten und möchten natürlich, dass es ihrem Kind gut geht. Für die meisten Eltern, die sich sorgen, ob ihr Kind auch genug Vitamine isst, kann Entwarnung gegeben werden. „Sicher ist es wichtig, das Kinder Gemüse essen, aber so viel wie Eltern denken, muss die Ernährung gar nicht gesteuert werden“, erklärt Ulrich Gerth, Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung in Fürth.
Tatsächlich hat eine Langzeitstudie der Universität Stanford bewiesen, dass selbst sehr wählerische Kinder sich langfristig die Nährstoffe holten, die ihr Körper braucht. Nach einer Weile wird selbst dem größten Nudel-Fan die viele Pasta langweilig.

Essen sollte Spaß machen und Eltern können mit ihren eigenen Essgewohnheiten ein gutes Vorbild sein, meint Dr. Katja Kröller, Ernährungspsychologin der Universität Potsdam. Denn wer selbst zu Schokolade und Knabbergebäck greift, kann nicht unbedingt erwarten, dass die eigenen Kinder Äpfel und Gemüsesticks bevorzugen. Die oft ausgesprochene Belohnung – Nachtisch erst, wenn das Gemüse gegessen wurde, sollte laut Katja Kröller unbedingt vermieden werden. „So lernt das Kind ja, das Gemüse negativ ist. Denn das Essen muss ja extra belohnt werden.“
Warum verweigert das Kind bestimmtes Essen?
Manchmal kann tatsächlich eine Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien die Verweigerung begründen, doch das ist meist die Ausnahme und kann mit dem Kinderarzt abgeklärt werden. Wer mehr als ein Kind hat merkt meist recht schnell: Jedes Kind hat einen anderen Geschmack. Das zeigt sich schon früh, schon Babys zeigen ein unterschiedliches Trinkverhalten. Das Sensibelchen, das nur gestillt werden mag, wenn alles ruhig ist und auch kein Geräusch stört, wird später vielleicht eher im Essen herumstochern als der kleine Vielfraß, der einfach gern satt ist.

Eltern sollten die Vorlieben von Kindern akzeptieren. Gerade beim Essen sollte eben kann Machtkampf entstehen. „Druck und Gewalt verschärfen die Situation“, sagt der Diplom-Psychologe Ulrich Gerth. Eltern sollten klare Regeln erstellen und ihrem kleinem Gourmet immer wieder gelassen ein breites Spektrum anbieten. Oft bekommen Kinder auch viele kleine Zwischenmahlzeiten. Wer ständig kleine Kekse knabbert hat natürlich weniger Appetit. Und ist eventuell auch eher geneigt, am Essen herumzunörgeln. „Eltern sollten dabei klar und konsequent bleiben. Wenn es Bohnen gibt und einer am Tisch die nicht essen will, dann müssen eben die Beilagen genügen oder es gibt Brot.“
Davon, dass Eltern den Kindern nur noch das Lieblingsessen servieren, hält Ulrich Gerth wenig. „Das Kind hat ja nur den Machtkampf gewonnen – dass Essen auch gesund und abwechslungsreich sein kann, hat es nicht gelernt. Dass Eltern bei vielem Nörgeln nachgeben, hingegen schon.“ Auch das Verstecken von Gemüse sei nicht sinnvoll, betont er. „Meist ist das dann nur eine winzige verkochte Menge ohne wirklichen Nährwert.“ Das Kind schmecke ja den Geschmack der pürierten Karotte, des zerdrückten Kürbisses oder der fein zerkleinerten Kartoffeln nicht – und so könne es eben auch gar nicht merken, dass es das verschmähte Gemüse vielleicht doch nicht so schlecht schmeckt.
Gelassenheit und Spaß helfen
Hilfreich für Eltern ist eine gute Portion Gelassenheit. „Spaß am Essen ist wichtig“, erklärt der Experte. Gemeinsam Einkaufen, vielleicht Gemüse auf dem Markt aussuchen, dass auch die Eltern noch nicht kennen, zusammen die Mahlzeit zubereiten und den Tisch decken, all das zeigt Kindern, dass Esskultur Freude macht. „Zur Esskultur gehört natürlich ebenso, dass Smartphones und Notebbooks tabu sind – auch für die Eltern. Und beim Lob für den, der sich mit dem Essen Mühe gemacht hat, können Väter und Mütter gutes Vorbild sein“, betont Ulrich Gerth.
Wenn Eltern Freude am Dekorieren haben, können sie das Essen auch aufwändig verzieren, witzige Sandwiches anbieten und kleine Kunststücke in Brotdosen füllen. Unter dem Stichwort „Bento“ werden kreative Eltern viele witzige Rezepte finden. Aber nur wenn es Spaß macht. „Kinder spüren, wenn Eltern sie austricksen wollen. Solche aufwändigen Dekorationen sind nur dann gut, wenn Mütter oder Väter das gern und mit Liebe machen “, sagt Ulrich Gerth. Ein absoluter Gemüsse-Muffel wird eine Tomate auch dann nicht essen, wenn sie als niedlicher Marienkäfer verkleidet ist. Ein Kind, das eher ungern das Pausenbrot isst, wird aber vielleicht die kreativ gefüllte Brotdose doch eher leeren.
Viel hilfreicher als Zwänge sind Abwechslung und Humor. Eltern sollten Kindern immer wieder Gemüse in verschiedenen Variationen anbieten. Bei vielen verschieden Gemüse-Sticks auf einem kleinen Buffet mit Dipps findet fast jedes Kind doch etwas, das es mag. Manchmal schmeckt kleinen Kindern, die keine grüne Paprika mögen, durchaus die etwas mildere gelbe Variante. Auch Mittag können zwei Gemüsesorten zur Auswahl gestellt werden.
Vielleicht macht es der ganzen Familie auch Freude, mit Worten zu spielen? Dann wird aus dem Apfelmus („Bäh, Apfel mag ich nicht“) die Pfannkuchen-Soße, Brokkoli sind magische Mini-Bäume, Kindey-Bohnen Dino-Eier und die Cocktail-Tomaten rote Prinzessinen-Perlen. Natürlich sollte auch diese Spiel nicht übertrieben werden.
Und was, wenn gar nichts mehr geht?
Die Sorge um das Essen – ständige Spielereien, neue Tricks, neue Rezepte. In manchen Familien etwickelt sich ein erschöpfender Kreislauf, aus dem Eltern und Kind nur schwer herausfinden. Eltern, die Angst haben, dass ihr Kind krank sein könnte, wirklich zu wenig Nährstoffe bekommt und jeweilige Vitamine in Obst und Gemüse vermeidet, sollten dies offen mit dem Kinderarzt besprechen und das Kind auf Mangelerscheinungen untersuchen lassen. Manchmal wird der Arzt dann auch einen guten Rat geben können – oder auch Entwarnung. Auch das hilft, sich gelassen damit abzufinden, dass der eigenen Nachwuchs hartnäckig bestimmte Nahrungsgruppen nicht isst. Und nimmt auch Spannung. „Je weniger ein Kind gegen Druck ankämpfen muss, umso eher wird es geneigt sein, selbständig neue Dinge zu probieren“, erklärt Dr. Katja Kröller.
Wenn Erwachsene ehrlich sich selbst gegenüber sind, dann wissen sie ja, dass sie selbst auch nicht jedes Gemüse mögen. Und erinnern sich sicher auch daran, dass sie als Kinder ähnliche Diskussionen am Tisch führten. Und heute? Oft ist es so, dass der Geschmack an bestimmten Lebensmittel erst später kam – so geht es Kindern auch. Darum sollten Eltern immer wieder Gemüse anbieten und selbst essen. Ein sinnloser Machtkampf kann vieles zerstören, auch die Fähigkeit des Kindes seinen Appetit und das Essen selbst zu regulieren, für sich zu entdecken, was es mag und was es nicht mag. Und sogar die Freude am Essen selbst. „Wenn Essen zum Kampf wird, sollten Eltern eine Erziehungsberatungsstelle aufsuchen – hier können gemeinsam Lösungen erarbeitet werden, um den Kreislauf zu durchbrechen“, rät Ulrich Gerth.
Linktipp: Die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V,bietet eine Onlineberatungsangebot für Eltern unter www.bke.de.
Buchtipp: Elizabeth Pantley: „Essen statt meckern. Gute Laune am Familientisch.“ Trias Verlag, 2013. 17,99 €.ISBN: 978-3-8304-6679-6 (bei Amazon)
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