Wir Eltern sind ja eigentlich selbst schuld. Denn wirklich guten Müttern und Vätern gelingt der Spagat zwischen Kindergartenfest, Buchprüfung in der Firma und defekter Waschmaschine ja mühelos. Und wenn andere das so toll hinbekommen, bedeutet das doch, dass ich selbst einfach unfähig bin? Eltern fühlen sich häufig unter Druck gesetzt, auch diejenigen, die nicht Teilzeit- oder Vollzeit arbeiten. Eine Stress-Studie der Techniker-Krankenkasse hat festgestellt, dass sich 95 Prozent der Hausfrauen und – männer belastet fühlen.

Doch woher kommt der Druck, wieso ist es zu schwierig, den Alltag gelassen zu meistern? „Die eigenen Ansprüche sind meist das Problem“, erklärt Cordula Nussbaum. Die Wirtschaftsjournalistin und Buchautorin – selbst Mutter von zwei Kindern – hat sich intensiv mit dem Thema Zeitplanung beschäftigt. Viele Eltern unterschätzen die Realität, möchten perfekte Eltern sein und alles richtig machen. „Das Leben mit Kindern kann nie wirklich geplant werden“, sagt Cordula Nussbaum.
Was verursacht den Stress?
Warum fühle ich mich eigentlich so gehetzt? Was belastet den Alltag? Wer sich unwohl fühlt und das Gefühl hat, stets wie ein Hamster im Laufrad ohne Ziel zu hetzen oder abends unglücklich im Bett liegt und das Gefühl hat, nichts am Tag wirklich geschafft zu haben, sollte sich fragen, was denn eigentlich die Stressfaktoren sind. Dazu sollte man sich bewusst Zeit einplanen: „Sich ohne Kinder in ein Café setzten oder einen Spaziergang im Wald machen und es sich auf einer Lichtung bequem machen. Ein gedanklicher Adlerflug kann wirklich helfen“, erklärt die Expertin. „Steigen Sie wie ein Adler in die Lüfte und betrachten Sie Ihr alltägliches Tun von oben aus der Luft. Aus der Vogelperspektive erkennen die echte Zeitdiebe viel leichter.“ Wo läuft alles gut? Was soll verändert werden?
Wer als Vogel die eigenen Routine betrachtet und dann – vielleicht in ein schönes Notizbuch – die Gedanken aufschreibt, ist oft erstaunt. Nichts getan? Notieren Sie Zeitaufwand und das Gefühl, das Sie mit der Tätigkeit verbanden. Einkaufen, Bügeln, Hausaufgabenhilfe, Hol- und Bringedienste für die Kinder, Wäsche waschen, Arbeiten – wie viel Zeit am Tag verbringen Sie mit welchen Aufgaben? Warum fühlen Sie sich eventuell unwohl? Gibt es auch Zeiten, in denen Sie „nichts tun“ oder einfach lesen oder Musik hören können?
Was ist mir wichtig?
Woher kommt der gefühlte Druck? Was wirklich hilft, sind bewusste Entscheidungen. Auch hier nützt der Überblick. Es ist Ihnen gar nicht wirklich wichtig, dass die Wohnung super sauber ist? Warum putzen Sie dann so oft? „Stellen Sie sich bewusst die Frage, was Ihnen wirklich wichtig ist“, rät Cordula Nussbaum. Mütter von Babys fühlen sich oft gestresst, weil sie für die Kleinen das Beste wohlen und von PeKip über Schwimmen bis zur Babymassage viele Angebote nutzen wollen. „Manchmal ist weniger einfach mehr,“ erklärt die Autorin. Wir Eltern müssen weder für die ganz Kleinen, noch für ältere Kinder immer Programm anbieten. Ein Wochenende darf auch mal „verbummelt“ werden.

Zeitfallen lauern oft verborgen im Alltag. Für ein Schnäppchen quer die Stadt mit dem Auto fahren? Einen Kuchen für den Kindergarten backen und dafür aufwendige Zutaten besorgen. Oft hilft es, einfach „Nein“ zu sagen. Zur eigenen Mutter, die „mal eben“ ein paar Fotos abgezogen bekommen möchte, zu den Kindern, die Mama als Taxi sehen.
Gute Planung – ist prima, aber nicht alles
Kennen Sie lange To-Do-Listen und genaue Stundenpläne für den Alltag? „Solche Listen sind nicht für jeden geeignet“, erklärt Cordula Nussbaum. „Denn oft werden sie immer nur länger und erzeugen Unzufriedenheit und Frust.“ Es ist oft hilfreich, Pflichten innerhalb der Familie zu verteilen. Sich Hilfe und Unterstützung von Großeltern oder Babysittern zu suchen. Ganz wichtig bei jeder Form der Planung: „Immer Pufferzonen für das Unvorhersehbare einplanen.“ Denn gerade im Leben mit Kindern erschweren Platzwunden, verschwundene Kuscheltiere, Trotzanfälle oder anderes das durchdachte Timing.
Auch für sich selbst sollten Eltern kleine Inseln im Alltag einbauen. Denn das verleiht neue Energie. „Machen Sie außerdem jeden Tag etwas, das Ihnen gut tut. Und wenn es nur fünf Minuten sind. So zeigen sie anderen und vor allem auch sich selbst, dass Sie auf sich und Ihre Bedürfnisse achten.“
Was sind Sie für ein „Typ“ – und Ihr Partner?
Nicht alle Menschen „ticken“ gleich. Das liegt daran, dass bei einigen Menschen eher die rechte, bei anderen eher die linke Hirnhälfte dominiert. In der linken Hälfte ist das analytische, strukturierte und logische Denken ausgeprägt, in der der rechten das ideenreiche, kreative und spontane. Sind Sie eher ein systematischer Mensch oder neigen zu kreativem Chaos? Wer dazu neigt, eher unsystematisch an die Dinge heranzugehen, sprudelt oft vor Ideen – und kann einen Partner, der klare Strukturen liebt, damit zur Verzweiflung bringen. Und umgekehrt. „Idealerweise ergänzen sich die Partner. Aufgaben in der Familie sollten nach Talenten vergeben werden,“ meint Cordula Nussbaum. „Wer sich klar macht, dass es unterschiedliche Denkweisen der Familienmitglieder gibt, kann damit den Stress deutlich reduzieren.
Hier ein kleiner Selbsttest:
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Wie planen Sie prinzipiell Ihre Tage am liebsten?
Ich erstelle Zeitpläne und arbeite meine Punkte der Reihe nach ab.
Ich plane jeden Einzelschritt meiner Tätigkeit mit exakter Zeitangabe
Planen? Schon das Wort erzeugt mir Unbehagen! Ich lebe am liebsten spontan und tue, was halt gerade wichtig scheint.
Das kommt darauf an, wer gerade etwas von mir will, für wen ich was tun kann oder muss.
Wenn Sie andere Menschen über etwas informieren, dann ist es Ihnen in der Regel wichtig, …
detaillierte, präzise Informationen und Fakten zu geben.
in groben Zügen einen Überblick zu vermitteln, ohne sich in Details zu verlieren.
die Meinung des anderen dazu gleich zu hören.
vor allem die nächsten Schritte sowie einen konkreten Zeit- und Maßnahmenplan zu erarbeiten.
Wenn Sie aufräumen oder Unterlagen sortieren, …
dann achten Sie verlässlich auf die richtige Reihenfolge und den richtigen Platz der Dinge.
dann ist „fertig werden“ wichtiger als die korrekte Ausführung im Detail.
achten Sie darauf, dass auch andere Menschen mit dieser Ordnung klarkommen.
folgen Sie logischen Kriterien.
Ergebnis:
Überwiegend Viereck:
Dr. Annalyse Logisch: Logischer Denker, Tendenz Logiker. Mag Fakten und Zahlen, redet gern klar und knapp auf den Punkt gebracht. Stressursachen im Familienalltag: Möchte zuviel planen und strukturieren. Aufgabe: Privaten Alltag deutlich entzerren, weniger um Details kümmern.
Überwiegend Dreieck:
Ottmar Ordentlich: Logischer Ordner, Tendenz Ordner. Mag es aufgeräumt und solide, mag klare Strukturen, liebt Routine und Check-Listen. Stressursachen im Familienalltag: Tagespläne und To-Do-Listen werden durch unvorhersehbares torpediert. Aufgabe: Weniger Planen, mehr Freiräume schaffen.
Überwiegend Kreis:
Igor Ideenreich: Kreativer Chaot, Tendenz Ideensprudler. Liebt es spontan zu sein, oft auf dem letzten Drücker unterwegs. Stressursachen im Familienalltag: Kinder brauchen Strukturen, Alltag mit Partner braucht Absprachen, zuviel Chaos sorgt dafür, dass der Überblick verloren gehen kann. Aufgabe: Gelassen Prioritäten setzen, Balance zwischen nötigem Plan und Freiraum für Spontanes finden.
Überwiegend Stern:
Hanny Herzlich: Kreativer Chaot, Tendenz Unterstützer. Sehr emotional und Harmonie bedürftig. Stellt das Wohlbefinden der Anderen fast immer über das eigene. Stressursachen im Familienalltag: Schlägt kaum eine Bitte ab, geht zu oft über die eigenen Grenzen. Aufgabe: Eigene Bedürfnisse erkennen lernen, Zeit für sich schaffen, Aufgaben abgeben.
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Wer den Test gern detaillierte haben möchte, findet auf der Seite von Cordula Nussbaum einen kostenlosen Selbsttest „Chaot oder Systematiker“
Veränderungen suchen und Alltag genießen
Wer erkannt hat, wo die Stressquellen in der Familie liegen, kann versuchen etwas zu ändern. Oft sind es nur kleine Schritte, die möglich sind, aber auch langsam führt der Weg zum Ziel. Es dauert, bis neue Aufgaben oder Zeitpläne Routine werden. Gerade wenn der Stresslevel hoch ist, hilft ein wenig innerer Abstand. Ist es jetzt wirklich wichtig, dass ausgerechnet Sie schon wieder Elterndienst haben? Muss wirklich das Auto unbedingt heute in die Werkstatt? „Manchmal hilft es, einfach so tun, als ob man etwas gern macht“, sagt Cordula Nussbaum.
Erleichterung kann es bringen, das Komische in einer Situation zu sehen. Oder einfach die ganz kleinen Freuden zu genießen. Kinderlachen, Sonnenschein – oder eine Blume. „Geben Sie jedem Tag die Chance, der schönste in ihrem Leben zu werden. Nehmen Sie freudige Augenblicke bewusst wahr, denn es sind nicht die großen Erfolge, die uns Glück bescheren, sondern die kleinen Momente, die das Leben lebenswert machen“, betont Cordula Nussbaum.
Buchtipp: Cordula Nussbaum: „Familienalltag locker im Griff“, Gräfe und Unzer Verlag 2012, 13, 30 Euro, ISBN: 978-3-8338-289-4 (amazon)