Grusel und Ängste – so helfen Eltern ihren Kindern

Halloween ist für einige Kinder ziemlich gruselig. Doch wie viel Schreck ist erlaubt? Was tun, wenn Kinder plötzlich richtig viel Angst haben? Wie können Eltern ihnen dann helfen?

Anna (3) und ihre beste Freundin Jule (4) wollten als Gespenster verkleidet  Süßigkeiten an die Kinder der Nachbarschaft verteilen. Zu erst freuten sich die Mädchen. Kleine Hexen und drollige Superhelden standen vor der Haustür und sagten ihre Sprüche auf. Doch dann passierte es: Anna durfte die Tür öffnen und begann sofort schrill und panisch zu schreien. Ein Junge mit Werwolf-Maske hatte sie angeknurrt. Was er nicht wusste – Anna hatte schon vorher ein wenig Angst vor Hunden. Der lebensgroß erscheinende „Wolf“ war für das Mädchen ein wahr gewordener Albtraum.

Halloween-Verkleidungen sehen manchmal zum fürchten aus (© Thinkstock)
Halloween-Verkleidungen sehen manchmal zum fürchten aus (© Thinkstock)

Annas Mutter bedauert heute, dass sie nicht selbst mit an der Tür stand. „Seit diesem Tag ist Anna noch ängstlicher. Und sie freut sich auch gar nicht auf Halloween.“ In diesem Jahr jedenfalls wollte die Familie dem Gruselfest aus dem Weg gehen. Auch wenn allen klar ist, dass davon Annas Angst nicht besser wird.

Angst ist nicht richtig oder falsch

Angst ist kein Gefühl, sie ist ein angeborener Reflex, mit dem der Körper reagiert. Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt und die Muskeln sind angespannt. Ist die Gefahr bedrohlich? Weglaufen, schreien, weinen oder kämpfen – die Reaktionen sind ganz unterschiedlich. Und die Auslöser von Ängsten auch.

Es gibt Kinder, die fürchten sich vor Hühnern. Anderen vermeiden Dunkelheit oder bekommen einen Heidenschreck, wenn auf einem Jahrmarkt eine überlebensgroße Figur plötzlich zu sprechen beginnt. Auch Figuren in Kinofilmen, etwa das böse Schneemonster in Disneys „Eiskönigin“ oder der böse Junge in „Lauras Stern“ können Kindern Angst machen.

Eine Angstreaktion ist eine wichtige Warnung, die vor Gefahren schützt. Sie lässt sich nicht vermeiden und gehört zur kindlichen Entwicklung. Für Eltern ist das oft nicht einfach. Denn warum bitte fürchtet sich Leon ausgerechnet vor der sprechenden Babypuppe? Und wieso weint Mira, wenn das Licht im Flur aus ist? Und wie sollten die Eltern reagieren? Einfach das Licht anlassen und die Puppe weggeben?

Doch nicht alle angstauslösenden Situationen lassen sich vermeiden. Wenn etwa jetzt Halloween gefeiert wird, kann es passieren, dass kleine Kinder gruselig verkleidete Gestalten etwa einen Mann mit einer Zombie-Maske oder eben einen unheimlich wirkenden Werwolf sehen.

Wenn Kinder Angst haben (© Thinkstock)
Wenn Kinder sich gruseln (© Thinkstock)

Felicitas Römer, Paar- und Familientherapeutin erklärt, warum Angst wichtig ist. „Angst gehört zum Leben dazu. Sie ist ein guter Ratgeber. Kinder testen damit aus, was sie sich zutrauen, welchen Situationen sie sich ausliefern können. Sie fragen sich: Was schaffe ich? Was macht mir Angst?“ Kinder lernen durch eigenen Erfahrung Ängste zu überwinden und Strategien zu entwickeln. „Nach jeder überstanden Angst sind sie einen Schritt weiter.“

Auch Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge betont: „Es ist wichtig zu begreifen, dass die Angst einen Teil der gesunden Entwicklung ausmacht und dass es im eigentlichen Sinne nicht gesund ist, Kinder angstfrei aufwachsen zu lassen.“ Kinder müssen lernen, die Welt selbst wahrzunehmen um selbst ein Gespür für echte Gefahren und nur vermeintliche, wie etwa das unangenehme Geräusch der sprechenden Puppe zu entwickeln.

Es gibt viele Dinge, die Kinder ängstigen. Thomas Ollendick, Professor für Psychologie und Leiter des Zentrums für Kindheitsstudien der Virgina Tech, erklärt, dass etwa fünf bis zehn Prozent aller Kinder nicht nur unter Ängsten, sondern unter Phobien leiden. Phobien vor Tieren, Dunkelheit und verkleideten Personen sind darunter am häufigsten. Bekommt ein Kind eine richtige Panikattacke oder hat so ausgeprägte Ängste, dass diese den Alltag prägt, sollten Eltern professionelle Hilfe holen.

Wie können Eltern reagieren?

Ein unheimlicher Schatten, ein gruseliges Gesicht oder eine fiese Fratze – für Kinder wirkt das schrecklich bedrohlich. Der schlimmste Satz den Eltern in so einer Situation sagen können ist: „Du musst keine Angst haben“. Denn er lässt Kinder mit ihren Gefühlen ganz allein. „Ein Kind denkt, dass es doch nun einmal Angst hat und man sagt ihm, dass es einfach keine zu haben braucht. Es glaubt, dass irgendetwas doch nicht mit ihm stimmen kann – es sieht nun einmal das fürchterliche Krokodil hinter der Gardine. Für das Kind ist das eine unverrückbare Tatsache, “ erklärt Jan-Uwe Rogge.

Kinder brauchen Erwachsene, die sie trösten und mit ihnen fühlen. Und nicht jemanden, der über die Maske, vor der sie sich fürchten, lacht.  Es ist wichtig, dem Kind zu zeigen, dass seine Angst akzeptiert wird. Es kann helfen, Dinge wie einen Blitz zu erklären. Oder im das Kind im Kino auf den Schoß nehmen. Wenn Trost und Zuwendung nicht helfen, sollten Eltern nach Möglichkeit die Situation – also beispielsweise den Kinosaal – verlassen.

Die Gefühle sind real und müssen ernst genommen werden

„Angst entsteht, wenn wir uns in irgendeiner Wiese bedroht fühlen, “ betont Felicitas Römer im liliput-lounge Interview.  „Ob es sich dabei um eine reale oder eine „gefühlte“ Bedrohung geht, ist für das Erleben zunächst unerheblich. Deshalb müssen Angstzustände von Kindern immer ernst genommen werden.“ Die Angst des Kindes dürfe auf keinen Fall ignoriert, herunterzuspielt oder lächerlich gemacht werden.

Es helfe nicht dem Kind zu sagen, dass es sich „nur“ um Masken oder Verkleidungen handelt, denn er kann ja Realität und Fiktion oft noch nicht auseinander halten.  Auch für Erwachsene seien Thriller ja oft spannend, weil das Gehirn zwischenzeitlich sozusagen „vergisst“, dass es sich nur um einen Film handelt – und sie das natürlich wissen.

Mädchen schauen gruseligen Film im Kino (© Thinkstock)
Mädchen schauen gruseligen Film im Kino (© Thinkstock)

In den USA fürchten sich viele Kinder vor verkleideten Weihnachtsmännern oder den gruseligen Halloween-Gestalten. Eine Expertin rät in der Washington Post, dass es helfen könne, ältere Kinder zu bitten, Masken abzunehmen. Damit Kinder sähen, dass es wirklich  nur eine Maske sei. Vor allem aber sollten Eltern auf ihren Nachwuchs eingehen und eben nicht darauf drängen, dass er sich unheimlich verkleidet oder sich von einem bärtigen Mann mit rotem Mantel streicheln lässt. Ein „wenn der Weihnachtsmann, das sieht“ baut natürlich Ängste auch erst auf.

Einige Ängste werden mit der Zeit auch abgebaut. Annas Eltern hatten die Werwolf-Maske lange nicht mehr erwähnt. Im Kindergarten war das Spukfest aber ein Thema und vor ein paar Tagen erklärte Anna ganz unerwartet, dass sie in diesem  wieder Bonbons verteilen will. „Und wenn noch mal einer als Wolf verkleidet ist, kriegt der Hundefutter.“ Annas Eltern sind schon gespannt. Wer wird sich mehr erschrecken?

Oft haben Kinder nämlich auch Freude am Gruseln. Felicitas Römer rät dazu, dass Kinder an Halloween am besten in kleinen Gruppen – mit Elternbegleitung oder mit einem Handy – losziehen können. Gerade kleine Kinder sollten am besten in der direkten Nachbarschaft bleiben. Bei älteren ist eine feste Uhrzeit und eine genau Kenntnis der geplanten „Route“ wichtig.