liliput-lounge: Ihr neues Solo-Programm heißt „Ich doch nicht“ – eine Antwort, die Mütter ja gern in vielen Situationen geben möchten. Wie sind Sie darauf gekommen?

Mirja Boes: Der Gedanke kam in der ersten Schwangerschaft. Ich sah Mütter, denen scheinbar gar nichts peinlich war. Und da sagte ich mir: Ich doch nicht. Mir passiert das nicht. Mittlerweile habe ich ja zwei Kinder und natürlich ertappe ich mich auch bei Dingen, die ich doch nie tun wollte.
Wobei denn?
Ich möchte keine Suppenkasper und muss gestehen, dass ich schon ganz verzweifelt bin, wenn es Theater mit dem Essen gibt. Aber ich lerne da Gelassenheit. Heute hat sich mein zweijähriger Sohn einen Teelöffel Butter in den Mund geschoben. Immerhin aß er das Brot dann hinterher.
Und welche mütterlichen Grusel-Aktionen haben Sie bisher nicht begangen?
Ich bin ganz stolz auf mich, dass ich wirklich keine angesabberten Kekse esse. Und auch keine Joghurtreste. Obstbrei mag ja lecker sein, aber ich bevorzuge eindeutig Essen für Erwachsene. Gut, wenn noch ein paar unangetastete Leberwurstbrotstücke übrigbleiben, dann esse ich die auch auf. Oder auch mal die Reste von den Buchstabennudeln mit Ketchup. Aber nur wenn noch etwas im Topf ist. Ansonsten werfen wir nicht viel weg. Wir haben die drei Sekunden-Regel ein wenig erweitert. Alles was nicht mehr als 25 Minuten auf dem Boden lag, darf noch gegessen werden. Das stärkt offensichtlich wunderbar die Abwehrkräfte, denn mein Sohn ist selten krank.
Wie organisieren Sie überhaupt Ihren Alltag? Sie sind ja berufstätig und Ihre Söhne noch sehr klein.
Michel ist jetzt zweieinhalb, sein Bruder ein halbes Jahr alt. Natürlich muss das alles gut organisiert sein, aber mein Partner und ich haben das Glück, dass wir ein wunderbares Umfeld haben. Die Kinder haben ja uns beide, ihren Papa und mich, die sie betreuen. Und dann haben wir eine tolle Tagesmutter, die zu uns kommt und auch meine Eltern, die ihre Enkel abgöttisch lieben unterstützen uns.
Fällt Ihnen denn die Trennung schwer, wenn Sie beruflich unterwegs sind?
Naja, einfach ist es nicht. Wenn das Telefon klingelt und jemand von zu Hause anruft, will ich schon immer gleich fragen: ‚Ist denn alles gut?‘ Doof eigentlich, denn warum sollte es nicht gut sein. Meistens geht es beim Anruf dann um Dinge, die nicht an ihrem Platz sind, oder so. Der Abschied ist schon manchmal schwierig. Heute sagte mein Sohn auch: ‚Mama nicht weggehen.‘ Immerhin bekam ich noch einen Knutscher ans Bein. Aber ich weiß, dass es meinen Kindern auch ohne mich gut geht und dass meine Söhne eine gute Zeit haben. Und mein Großer weiß auch schon, was ich beruflich mache. „Mama, Leute, ha ha ha“, das hat er mir schon vor einiger Zeit ganz klar erklärt.
Wie ist das überhaupt, können Sie ganz normal mit ihren Söhnen einen Spielplatz besuchen?
Kinder zu kriegen ist doch normal. Zumindest wenn man eine Frau ist. Ich gehe mit Kindern auch zum Kinderschwimmen, zu Krabbelgruppen und auch auf den Spielplatz, klar.
Wird von Ihnen nicht immer ein Gag oder eine Pointe erwartet, wenn Sie irgendwo sind?
Natürlich bin ich nicht immer komisch. Aber ich bin ein gut gelaunter Mensch, auch privat, das ist so. Und dann sage ich zu meinem Sohn, der sich gerade beinahe die Finger geklemmt hat so etwas wie: ‚Nein, geht nicht, wenn die ab sind, kannst du nicht Pianist werden.‘ Das bin ich einfach.
Was meinen Sie, hilft Humor Müttern?

Er hilft ungemein. Ich habe das Glück gut schlafende Kinder zu haben und einen Partner, der recht schnell wach wird. Aber es gab Situationen, wo ich das sehr wache Baby mitten in der Nacht ansah und dachte: wird wohl nichts mehr mit Schlafen. Muss ich einfach akzeptieren. Und dann muss ich lachen, weil das irgendwie schon komisch ist.
Werden Ihre Söhne in einen Kindergarten gehen?
Wir haben im Eltern-Lotto gewonnen und sogar einen Platz in unserem Wunschkindergarten bekommen. Damit darf dann später der Kleine eventuell auch dort hin. Ab September haben wir also ein Kindergartenkind. Er startet dann in der Elefantengruppe. Noch denkt mein Sohn allerdings, dass ich mitkomme. Vielleicht meint er, dass das passt, weil ich noch ein paar Extrakilos aus der Schwangerschaft drauf habe.
Es war zu lesen, dass Sie die Schwangerschaft nicht so toll fanden. Was war daran schlimm?
Ich wollte gern Kinder, da gehört das Schwangersein wohl dazu. Ich hatte das Glück, zwei ganz unkomplizierte Schwangerschaften zu haben. Die Zeit hat ja auch Vorteile, ich konnte viel Essen die Klamotten sind auch lustig und man lernt viele neue Dinge. Aber ein Schwangerschafts-Fan bin ich nicht. Ich sehe meine Füße schon recht gern.
Was für Dinge haben Sie denn in der Schwangerschaft gelernt?
Viele Dinge, die ich wirklich nicht wissen wollte. Und auch so interessante neue Wörter. In Foren habe ich so Sätze gelesen wie: ‚Der Große ist bei meiner Schwimu und der Kleine trinkt eifrig Mumi.‘ Wer versteht denn so etwas? Und auch die Hebamme hat meinen Horizont sehr erweitert. Aber wer die Plazenta auch mitschleppen möchte, kann damit aufregende Dinge tun. Darauf einen Baum pflanzen – oder ein Gulasch daraus kochen, ist im Internet nachzulesen.
Und? Was haben Sie damit gemacht?
Nichts. Ich wollte aus der Klinik nur meine Babys mitnehmen.
Wie hat denn Ihr damals ja noch einjähriger Sohn auf die Schwangerschaft reagiert?
Beide Söhne sind Wunschkinder. Michel fand es klasse, dass ein Baby in meinem Bauch war. Als wir nach einem Namen für den zweiten Sohn suchten, hat er letztlich mitentschieden.
Wie heißt Michels Bruder?
Matti. Und als Michel den Namen hörte, hat er entschieden mit der Faust auf den Tisch gehauen. Er hat dann immer begeistert „Hallo Matti“ in meinen Bauchnabel gerufen.
Verstehen sich die Brüder denn jetzt gut?
Noch sprechen sie nicht miteinander. Der Große liebt seinen kleinen Bruder aus vollem Herzen. Aber allein kann ich die beiden natürlich nicht lassen, denn vor lauter Liebe würde das Baby nachher noch sehr zugedeckt oder zu sehr geknuddelt.
Haben Sie überhaupt neben Familie und Beruf noch Zeit für sich?
Weniger. Aber da bin ich ja selbst Schuld. Mir geht es da wie vielen anderen Müttern auch, ich bin ja oft unterwegs und da ist schon ein latent schlechtes Gewissen. Mir dann einfach Zeit ohne die Kinder zu nehmen, wenn es gar nicht nötig ist? Fällt schwer. Aber ich habe tolle Freundinnen, die mir dabei helfen, das Loslassen zu lernen.
Unternehmen Sie denn viel mit Ihren Kindern?
Ich singe ihnen etwas vor und gehe eben auch mit ihnen zu Spielgruppen oder so. Aber ich finde, die Kinder werden heute auch mit Reizen überflutet. Zu viele Termine müssen wirklich nicht sein. Statt Früh-Chinesisch finde ich es wichtiger gemeinsam Zeit zum Malen oder Lego bauen zu haben. Die Kinder müssen auch vieles einfach selbst ausprobieren dürfen.
Was denn?
Na, mein zweiter Sohn ist jetzt gerade sehr viereckig. Und auch schon aus dem hübschen Hello-Kitty-Strampler herausgewachsen. Er dreht sich jetzt gerade und möchte schon viel mehr machen. Er liegt dann wütend auf dem Bauch, streckt seine Arme empört von sich und wartet, dass etwas passiert. Ich greife da nicht ein, auch wenn er frustriert ist.
Sind Sie beim zweiten Kind gelassener?
Ich war auch schon beim ersten Kind recht gelassen. Generell finde ich Riesenverbote nicht gut, die machen alles nur noch spannender.
Womit hätten Sie nicht gerechnet im Zusammenleben mit Kindern?
Da muss man mit allem rechnen. Mit absolut allem.
Wird Ihr nächstes Programm dann noch mehr über den normalen Mütter-Wahnsinn verraten?
Eher weniger. Jetzt passt das gerade sehr gut, es ist einfach mein Leben, von dem ich erzähle. Aber irgendwann wird es nett sein, Windeln nur im Privatleben zu haben und beruflich eher eine kinderfreie Zone zu haben.
In letzter Zeit wird Nachwuchs haben oft sehr negativ geschildert. Kleine Tyrannen, schlaflose Nächte und Augenringe. Ist Kinder haben denn wirklich so schlimm?
Ich bin eine realistische Mutter. Ja, es gibt Momente an denen man denkt: ‚Mist, die hast du jetzt bis zum Ende deines Lebens an der Backe.‘ Nicht jeder Tag ist toll. Das gehört dazu. Aber ehrlich gesagt ist das doch mit dem, was und wen wir lieben immer so. Welche Frau ist nicht morgens schon mal aufgewacht und wollte dem Kerl neben sich im Bett einfach mal den Baseball-Schläger über den Kopf ziehen, obwohl er noch gar nichts gemacht hat? Das Leben mit Kindern ist einfach ganz anders als vorher. Idealerweise passt man sich gegenseitig an und dann ist auch keiner ein Tyrann. Für mich ist und bleibt jeder Tag mit den Kindern spannend.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Mirja Boes (41) ist Schauspielerin, Sängerin und Comedian. Bekannt wurde sie vor allem durch die Sat.1-Sketchcomedy „Die Dreisten Drei“ und ihre RTL-Serie „Ich bin Boes“ Mirja Boes wurde 2008 als beste Komikerin ausgezeichnet und für viele Preise nominiert (unter anderem dem Deutscher Fernsehpreis, Rose D‘Or und 1 LIVE Krone).
Nach einer kurzen „Vermehrungszeit“, wie sie erklärt, ist die zweifache Mutter zur Zeit mit ihrem dritten Soloprogramm „Ich doch nicht“ deutschlandweit auf vielen Bühnen zu sehen. Mit ehrlichem und direktem Humor, Musik, Standup und jede Menge Improvisation erzählt sie live von den Dingen, die sie bewegen. Auf die Frage, ob sie als Mutter denn nun ruhiger und vernünftiger ist, hat sie eine klare Antwort:: „Ich doch nicht.“ Mehr über Mirja Boes und aktuelle Termine unter mirja-boes.de.
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