Kinder da – Freunde weg?

Ausgehen, Partys und Spieleabende mit Freunden. Das war einmal? Psychologin Felicitas Heyne gibt Tipps, wie ihre Freundschaften die Babyjahre überstehen.

Ein neues Jahr ist da. Und jeder Jahreswechsel fängt bei Jana (34) immer gleich an. Mit zu wenig Schlaf, einem ziemlichen Kater und mit guten Vorsätzen. Auch in diesem Jahr bekommt sie eindeutig zu wenig Schlaf, doch seit zwei Jahren liegt es nicht mehr am wilden Feiern. Denn gefeiert hat Jana in einem sehr erlesenen Kreis – allein mit ihrem Freund Piet und den beiden Kindern Luna und Max. Der fast zweijährige Max hat immerhin das Feuerwerk bestaunt, die neugeborene Luna verschlief den Jahreswechsel – war aber ab 2 Uhr morgens putzmunter.

Den Neujahrsspaziergang machte Piet allein mit den Kindern und Jana blieb zu Hause. Ich kann gar nicht sagen warum, aber ganz plötzlich fühle ich mich furchtbar einsam, sagt sie. Früher rief sie einfach schnell bei ihrer Freundin an. Und jetzt? Petra hat selbst drei Kinder und eines der insgesamt fünf Kinder unterbricht jedes Gespräch.

[quote]Ich kann gar nicht sagen warum, aber ganz plötzlich fühle ich mich furchtbar einsam.[/quote]

Nina hat vor drei Wochen die Elternzeit beendet und hat einfach nie Zeit. Und die kinderlose Anne schnauft nach zehn Minuten genervt in den Hörer oder erzählt ewig lange von ihrem neuen Lover. Vielleicht sollte sie eine Mami aus der Krabbelgruppe anrufen? Aber so einen richtigen Austausch gibt es da gar nicht. Alles dreht sich doch nur um die Kinder.

Traurige Familie mit Baby auf dem Sofa
Kind da – Freunde weg. (© Noel Hendrickson)

Schließlich ruft Jana traurig ihre Mutter an und klagt ihr Leid. Die fängt an zu lachen. „Ach, das ist doch normal. Freunde kommen und Freunde gehen“. Doch für Jana fühlt es sich nicht so an. Am Abend spricht sie mit ihrem Mann darüber. Auch er vermisst die netten Paarabende, die Spielerunden. Gemeinsam überlegen sie sich, dass im neuen Jahr wieder aufleben zu lassen.

[quote]Wir sind abends einfach zu fertig.[/quote]

Mitte Januar ist Jana allerdings wirklich frustriert. Kein anderes Paar hat Zeit oder Lust sich zu verabreden. „Ach nee, nachher wird nur eure Kleine wach“, hören sie. Oder „wir sind abends einfach zu fertig“, oder „können keinen Babysitter bekommen“. Gibt es jetzt etwa nur noch nachmittägliche Kuchentreffen mit den vielen Kleinkindern? Leben alle Eltern in einer Art dicken fetten Baby-Cocoon?

Piet trifft sich immerhin einmal in der Woche mit zwei Freunden zum Billard-Spielen. Jana allerdings hat das Gefühl, dass sie die wenige Zeit, die sie für sich hat, auch nur als Mama unter Mamas verbringt. Doch wie kann dieser Kreislauf unterbrochen werden? Wird es wirklich wieder besser, wenn die Kinder älter sind?

Freunde auf ewig – das steht in Poesiealben

„Friends they come and friends the go / nothing really lasts forever” sang Stella. Ähnlich wie sie und Janas Mutter sieht das auch die Psychologin Felicitas Heyne. „Wirklich lebenslange Freundschaften zwischen zwei Menschen sind eine sehr, sehr seltene Ausnahme, vielleicht sogar noch seltener als die von lebenslangen Liebesbeziehungen“, sagt sie. Denn nur zu oft ändern sich die Lebensumstände von Freunden. Manchmal ist die räumliche Distanz zu groß, manchmal driften die Interessen auseinander oder die Lebensentwürfe entwickeln sich in völlig unterschiedliche Richtungen.

[quote]Friends they come and friends the go. Nothing really lasts forever. [/quote]

„Insofern ist es in der Tat ganz normal, dass sich Freundschaften im Laufe des Lebens ändern, das ist kein Zeichen von Bindungsunfähigkeit oder Oberflächlichkeit der Beteiligten“, betont die Expertin. „In unserer heutigen modernen Zeit mit ihren hohen Anforderungen an Flexibilität und Mobilität von Berufstätigen ist es gerade für junge Eltern oft schwierig bis unmöglich einen Freundeskreis unversehrt weiter zu pflegen“. Zeitmangel, Organisationsprobleme oder auch schlichte Erschöpfung verhinderten das einfach.

Wie sorgen Eltern dafür, dass sie wirkliche Freunde haben?

Felicitas Heyne findet es vor allem wichtig, sich und andere nicht zusätzlich unter einen unguten Druck zu setzen. Natürlich müssten Freundschaften weiter gepflegt werden. Mit dem Älterwerden der Kinder entspanne sich ja auch wieder vieles. Eltern sollten sich auch klar machen, dass gerade die Zeit mit kleinen Kindern etwas Einmaliges und Unwiederbringliches sei, für die es ein naturgegebenes Zeitfenster gäbe. „Diese Fenster schließen irgendwann – das gilt für Freundschaften so nicht.“

Besondere Freundschaften seien sehr wohl auch belastbar und eine „Pause“ von ein paar Jahren schade ihnen nicht. „Oft kann man sich später, wieder aufeinander zu bewegen und mehr oder weniger da anknüpfen, wo man aufgehört hat. Natürlich gibt es auch Freundschaften, die so eine Auszeit nicht überleben, dass muss man dann aber einfach akzeptieren.“

Was können Eltern tun, um Freundschaften zu pflegen?

Dass Piet das Problem nicht so sehr sieht wie seine Frau, erstaunt die Expertin nicht. „Männer haben es meist leichter in Sachen Freundschaft, da Männerfreundschaften in den meisten Fällen auf gemeinsamen Interessen und Aktivitäten basieren. Das Billard-Spielen ist da recht typische“, erklärt Felicitas Heyne. Solche Unternehmungen könnten gut in Terminkalender eingetragen werden und auch dank einer Partnerin, die die Kinder hütet, eingehalten werden.

[quote]Der Gleichklang ist schwer aufrecht zu erhalten, wenn die eine nur noch über den Baby-Stuhlgang reden kann, während die andere gerade mitten im Karriere-Aufwind steckt.[/quote]

Frauenfreundschaften seien meist anders, sagt die Psychologin. „Ihre Freundschaften basieren oft auf einem emotionalen Gleichklang und auf Kommunikation.“ Und dies sei schwierig als fester Termin einzuplanen. „Der Gleichklang ist auch schwer aufrecht zu erhalten, wenn die eine nur noch über den Baby-Stuhlgang reden kann, während die andere gerade mitten im Karriere-Aufwind steckt.“ Beim Billard-Spielen stören solche Unterschiede nun einmal weniger. Doch wie können Eltern ihre Freundschaften aufrechterhalten, auch wenn Zeit eine Mangelware zu sein scheint?

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Der Rat von Psychologin und Buchautorin Felicitas Heyne:

Damit Freundschaften auch die Kleinkindphase des Nachwuchses möglichst unbeschadet überstehen, sollten Sie …

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  • den Kontakt zu kinderlosen Freunden bewusst weiter pflegen, indem Sie sich wenigstens regelmäßig telefonisch Kontakt halten.
  • sich wenigstens einmal im Monat einen Babysitter für einen kinderfreien Abend nur unter Erwachsenen gönnen.
  • den Kontakt zu anderen Eltern suchen und pflegen. Oft sind solche Beziehungen vor allem Zweck- und Schicksalsgemeinschaften, die durch gemeinsame Interessen, Sorgen und Aktivitäten zusammengeschweißt werden. Manche überdauern tatsächlich auch das Erwachsenwerden der Kinder und reifen dann zu „echten“ Freundschaften heran.
  • Zeit für sich einplanen und auch vom Partner verlangen. Jedes Elternteil braucht Stunden, in denen er nicht für die Kinder und den Job verantwortlich ist. Gerade Frauen sollten darauf achten, wirklich einen Abend in der Woche „frei“ zu haben.
  • die freie Zeit dazu nutzen, um Kontakte und Aktivitäten zu pflegen, die mit Kind auf dem Arm nicht möglich sind. Das reicht meist schon, um Ihnen das Gefühl zu geben, nicht ausschließlich Mama oder Papa zu sein.
  • Auszeiten ohne Kind von Anfang an planen. Wer damit wartet, bis das Kind abgestillt ist oder sonst ein „magischer“ Zeitpunkt erreicht ist, setzt diesen Plan sonst nicht um.
  • in Gesprächen das Kind nicht zum Zentrum des Universums machen. Männer tappen in diese Falle kaum je hinein, aber für Frauen ist hier die Versuchung groß. Wenn es immer nur um den Nachwuchs geht, sind nicht nur kinderlose Freundinnen genervt, sondern auch andere Mütter. Ein Vorschlag, wäre: Ein Abend im Monat ist Mädelsabend, und zwar so wie früher. Mit Klatsch und Tratsch, DVD und Popcorn, Cocktails und allem Drum und Dran. Wer im Laufe des Abends anfängt, von seinen Kindern zu erzählen, zahlt fünf Euro Strafe in eine Kasse (von der alle irgendwann gemeinsam essen gehen). Einfach mal ausprobieren!

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Felicitas Heyne ist Dipl. Psychologin, Mitglied des Bundesverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) und Autorin. Zudem ist sie auch systemische Einzel-, Paar-, und Familientherapeutin. Mehr Info auch unter: http://www.heyne.com