Gestern kam ein Anruf von einer lieben Freundin. Vor acht Wochen ist sie Mutter geworden und vorgestern war sie beim Frisör. Ohne mich vorher zu fragen! Ich war geschockt – denn so hatte ich sie gar nicht warnen können. Denn Mütter und Frisöre, diese Mischung kann nicht nur heikel werden, sie endet oft in einer Katastrophe.
In meinen ersten zwei Jahren als Mutter sah ich die Frisörin meines Vertrauens nur selten. Ich hatte lange Haare, die ich meist praktisch mit einem Gummi hochband und alle zwei Monate wurden der Pony und die Spitzen gekürzt. Praktisch, gut und – langweilig. Ich mochte meine lange Haarpracht, aber nach der Geburt von Kind Nr. 2 hatte ich einfach Lust, mal wieder etwas Neues auszuprobieren, träumte von einer leicht durchgestuften Mähne. Ich wollte mich einfach auch wieder als schöne Frau und nicht nur als Mutter mit praktischer Kleidung und gleichermaßen praktischem Haarzopf fühlen.

Eine – kinderlose – Freundin gab mir einen Tipp und so landete ich in einem angesagten Haarstudio. Natürlich war ich nicht entspannt. Die Oma passte auf die Kinder auf und der Kleine wurde noch gestillt – ich hatte also ein enges Zeitfenster. Strähnchen oder so kamen schon mal gar nicht in Frage. Als ich das dem Frisör erklärte, blickte er kritisch. „Ach, Sie sind Mutter?“ sagte er. Arglos antworte ich, dass zu Hause ein Baby und ein Kleinkind auf mich warten. „Ja, dann brauchen Sie eine pflegeleichte praktische Frisur.“ Ich widersprach nicht. „Ein bisschen kürzer wäre schon okay,“ erklärte ich.
Tja – und dann? Meine Haare wurden gewaschen, der Kopf massiert, mir war wohlig warm. Und da ich chronisch müde war, fielen meine Augen zu. Als ich sie öffnete, saß mir gegenüber eine fremde Frau. Verwirrt blinzelte ich und sah noch einmal hin – die Frau im Spiegel war ich. Mit einer Kurzhaarfrisur! Die mehr als schulterlangen Strähnen waren weg – nun blickte ich auf eine Kopie von Ursula von der Leyen, mit Pony. Sprachloses Entsetzen. „Tja, das ist doch was ganz anderes?“ fragte mich der Frisör. „Ich habe ja gar keine Haare mehr,“ stammelte ich. „Och, dafür geht das Fönen jetzt schnell, nur einfach die Rundbürste nehmen. Eine echt praktische Frisur für Mütter.“
Seit diesem Tag führe ich auf meinem Kopf eine echte Mutti-Frisur spazieren. Früher habe ich immer ein bisschen geschmunzelt, dass viele Frauen so merkwürdig aussehen, sobald der Nachwuchs da ist – es schien nur noch Kurzhaarfrisuren oder gar kurze Locken zu geben im Leben dieser Frauen. Heute ist mir klar: Das ist oft gar nicht freiwillig so. Die Frauen sind müde oder zu verwirrt um sich vernünftig zu äußern und schnipp, schnapp, schon ist prachtvolle Haarmähne à la Pam Anderson ab und wird ersetzt durch Haarkreationen, die auch Angela Merkel tragen könnte.
Seit Jahren versuche ich heimlich die Haare wieder wachsen zu lassen, allerdings gelingt es immer wieder einem raffiniertem Haarschneider, sie doch zu stutzen. In meinem Alter würde das sonst auch nicht gut aussehen. Sagt der Frisör.
Ist es da ein Wunder, dass ich meine Freundin, die ich immer um ihre wunderschönen Haare beneidet habe, schützen wollte?
Doch zu spät. Der Anruf bestätigte die These: Nach der Entbindung bekommen Frauen Mutti-Frisuren. Früher oder später. Meine Freundin erklärte, sie habe die langen Locken stutzen lassen. „Stell dir vor, ich habe gesagt, dass die Haare ein bisschen kürzer werden sollen. Und nun sind sie nicht mal kinnlang.“ Ob Sie beim gleichen Frisör war? Oder liegt es daran, dass ein bisschen immer relativ ist? Von wegen ein bisschen Haare auf dem Kopf?
Das interessante am Mutti-Frisur-Phänomen ist ja, dass es auch Promis trifft. Viktoria Beckham und Katie Holmes tragen besonders pflegeleichte Schnitte und auch Heidi Klums lange Haare fielen schon mal einer Schere zum Opfer. Sie trug einen Bob. Ach ja, so ein kinnlanger, leicht ungepflegter Style hat einen Namen: „out of bed“-Look. Na, dass passt doch für Mütter…
Lange, gesunde Haare sind DER Schlüsselreiz für den Balztanz, die
Partnerwahl. Lange Haare signalisieren: Die Frau ist jung, gesund,
paarungswillig und frei! Niemand hat die Macht, ihre Haare kurz zu
schneiden. Und Männer müssen auf diesen Schlüsselreiz so
irrational reagieren, wie der Stier auf das Rote Tuch, sonst wird das
nämlich nichts mit der Reproduktion.
Also darf dieser Schlüsselreiz nicht verfälscht werden. Nach der
Reproduktion, im Stadium der Brutpflege, wird das Balzkleid nämlich
abgeworfen, so hat es die Natur vorgesehen. Wenn eine Frau trotz
erfolgter Reproduktion in der Lange-Haare-Balztanz-Phase
steckengeblieben ist, so muss der Friseur eben nachhelfen.
Wenn man mal in einem Salon beobachtet, so werden niederrangige
Konkurrentinnen gnadenlos kurzgeschnitten. Teil subtil, teils offen.
Die eigenen Töchter bekommen kurze Haare, die „Beste Freundin“
darf auch keine längeren Haare haben als sie selbst. Die eigenen
Partner müssen sich die Haare nach „ihren“ Vorstellungen
schneiden lassen. Aber sie selbst wollen lange Haare auch als Mami
behalten? Ja, sie können sie in einer Tüte mit nach hause nehmen…
Ein Fall kenne ich, da hat nach der Reproduktion die Metamorphose von
einer „sanften Frau“ zur „Kratzbürste“
stattgefunden. Weil sie von ihrem Partner nicht genügend
Aufmerksamkeit bekam, ging sie dauernd zum Friseur. Und da hat sie
eine typgerechte Frisur bekommen…
Da weiss man(n) optisch schon woran man ist.
Herr jurgen,
da bin ich ganz anderer Ansicht.
Wenn es die Natur so vorgesehen hätte, würden die Haare nach dem Kinderkriegen gar nicht mehr lang wachsen können sonder alle ausfallen.
Wenn Sie der Meinung sind, alle langhaarigen Frauen sind Freiwild, sollten Sie Ihre Einstellung überdenken.