Impfgegner machen Angst

Impfen oder nicht impfen? Die Verunsicherung ist da, denn Gerüchte kursieren über schlimme Nebenwirkungen und Impfgegner verschicken gar Kettenmails. Experten erklären, dass die Imfpung gegen H1N1 sicher ist…
Die Zahl der an Schweinegrippe Erkrankten wächst. Wieviele Menschen derzeit mit H1N1 das Bett hüten, ist unbekannt, denn die Virus-Erkrankung ist nicht mehr meldepflichtig. Viele Patientien suchen auch keinen Arzt auf. Insbesondere Schwangere und Eltern von kleinen Kindern – als Hochrisikgruppe – stellen sich die Frage: Impfen oder nicht impfen?
Die Verunsicherung ist groß. Und sie wird besonders gestützt durch vereinzelte Impfgegner. Die Frankfurter Ärztin Juliane Sacher hat eine Kettenmail verschickt – Auszüge dieser Mail sind auch schon im Forum der liliput-lounge zu lesen. Wieviele diese Mail gelesen haben? Bestimmt hunderttausend oder mehr – in unserer Redaktion allein traf sie vier Mal ein. Die Medizinerin warnt vor dem Impfverstärker Squalen, der in den Grippeimpfstoffen enthalten ist.
Impfgegner
Kind wird geimpft (Panthermedia Bild von Arne Trautmann)
Was behaupten die Impfgegner?
„Wenn die Bundesregierung ihren Willen durchsetzt und 35 Millionen Menschen geimpft werden, ist damit zu rechnen, dass acht bis neun Millionen Bundesbürger für die nächsten Jahrzehnte unter chronischer Müdigkeit und Muskelrheuma leiden werden.“ Behauptet Juliane Sacher. Als Beweis für ihre Behauptung nennt sie eine Studie über Golfkrieg-Veteranen, die Squalen als Impfverstärker erhielten. Diese seien die Ursache für die so genannte Golfskriegskrankheit (bewirkt u.a.chronische Müdigkeit, Erschöpfung).
Wie die Ärztezeitung berichtet, wurde diese Studie längst wiederlegt. Der Impfstoff gegen Milzbrand, den die Soldaten bekamen, habe nicht einmal Squalen enthalten, so die US-Arzneimittelbehörde FDA. Das hat die Medizinerin – die keine Kassenzulassung mehr hat – verschwiegen.
Möglicher Nutzen überwiegt mögliche Schäden
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weist generell darauf hin, dass Squalen nur in geringer Menge als Wirkverstärker in den Impfstoffen gegen H1N1 verwendet wird. Diese Dosis ist so gering, dass wir etwa die gleiche Menge in unserer täglichen Nahrung aufnehmen, denn Squalen ist auch in Lebertran, Fisch- und Olivenöl enthalten.
Die MHH-Klinik für Immunologie in Hannover unterstreicht, dass Squalen bereits in einer Reihe von anderen Impfstoffen zugesetzt worden sei  – etwa beim Impfstoff gegen saisonale Grippe. Somit ist dieser Impfverstärker seit Jahren erprobt im Einsatz. „Beide H1N1-Impfstoffe sind deshalb unbedenklich“, sagt Professor Matthias Stoll, Oberarzt der MHH-Klinik für Immunologie in Hannover. „Unsere Einschätzung lautet: Der mögliche Nutzen überwiegt die möglichen Schäden.“
Massenimpfungen werden mit dem Holocaust verglichen
Wie kommt die Allgemeinmedizinerin Sacher überhaupt dazu, die Angst vor dem Imfpstoff zu verbreiten? Das bleibt unklar. Fakt ist, dass sie eine erklärte Impfgegnerin ist und auch daran zweifelt, dass andere Erkrankungen wie beispielsweise HIV wirklich existieren. Auf Nachfrage der Wirtschaftswoche erklärte Sacher sogar, dass sie Inhalt ihrer Mail weder selbst erarbeitet, recherchiert, noch fachlich fundiert beurteilt hat. Wie dem auch sei – die impfkritische Ärztin ist leider nicht allein, auch andere Mediziner rufen lautstark. Einer stellt die Massenimpfung mit dem Holocaust gleich. Ein besonders erklärter Impfgegner, auf den sich auch Sacher bezieht, behauptet beispielsweise, dass die Spanische Grippe 1918/1919 nie existiert hätte. Die 20 Millionen Todesfälle seien von den Ärzten durch ihre groben und tödlichen Behandlungen und Medikamente umgebracht worden, nicht durch die Spanische Grippe, lautet die fixe Idee.
Von den Impfstoffverstärkern geht keine Gefahr aus
Der Biologe Dr. Tobias Maier hat sich in seinem Blog mit den Impfgegnern auseinander gesetzt. Eines der häufigen Argumente gegen die Imfpung ist u.a. die Gefahr durch das im Serum enthaltene Quecksilber. Maier erklärt, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO schon 2006 die Grenzwerte für Quecksilberaufnahme festgelegt hat. „Dieser Wert liegt bei fünf Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht pro Woche. Ich wiege 80 Kilo, ich könnte mich pro Woche also 160 mal mit Pandemrix impfen lassen.“ Vom im Impfstoff enthaltenen Thimomersal geht also keine Gefahr aus, selbst wenn man deutlich weniger als 80 Kilo wiegt!
„Eine Verunsicherung jenseits von Gut und Böse“ bezeichnet Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul-Ehrlich-Institutes die Aussagen der Impfgegner. „Wahnsinn“ sei es, dass „die Äußerungen irgendeiner Ärztin“ Ängste bei den Menschen schüren, obwohl alle europäischen Gesundheitsbehörden eindeutig Stellung für die Impfung bezogen haben. Der Präsident der hessischen Landesärztekammer bedauert sogar, gegen die Verfasserin der Rundmails keine berufsrechtlichen Schritte eingehen zu können. Die Behauptungen seinen falsch und verunsicherten die Bürger.
Wer also besagte Mail erhält, sollte sich gut überlegen, ob sie wirklich weitergeleitet werden soll oder besser im Papierkorb aufgehoben ist.