Wunderbar und kuschelig soll sie sein, die erste Zeit mit Baby. Aber nicht in jeder Familie ist die erste Zeit mit dem neuen Erdenbürger einfach. Denn es gibt kleine Menschen, die eben keine gemütlichen Schlummerbabys sind – sie sind unruhig, weinen und schreien sehr viel. Wenn das Baby nur noch brüllt, rot wird, die Zunge scheinbar vibriert, dann liegen bei Eltern die Nerven irgendwann blank. Was kann getan werden, wenn das Baby scheinbar untröstlich ist?

Ist ihr Kind ein „Schreibaby“?
Babys haben viele Gründe zu weinen. Sie haben Hunger, möchten kuscheln, sind müde, langweilen sich, haben Angst, Schmerzen und möchten, dass jemand mit ihnen spielt. Wichtig ist es, auf die Signale des Kleinen zu achten. Wenn da Baby schmatzt und an der Faust saugt, deutet das auf Hunger hin, Schmerz wird meist durch schrilles Weinen signalisiert, Lust auf Action hingegen eher mit einem quengeligen Meckern. Auf keinen Fall sollte Weinen ignoriert werden, denn das Baby hat keine andere Möglichkeit sich den Eltern mitzuteilen. Weinende Babys fühlen sich schlecht und brauchen Trost. Sie schreien nie, um ihre Eltern zu ärgern. Aber Eltern fragen sich oft: „Was will unser Kind? Wie kann ich helfen?“
Manche Babys lassen sich kaum beruhigen. Weder durch Stillen, noch Kuscheln oder eine neue Windeln finden sie zu einem entspannten Zustand zurück. Jedes Baby hat gelegentlich unruhige Nächte – und lässt seine Eltern verzweifeln. Aber einige kleine Menschen sind eben besonders unruhig und sehr oft untröstlich. Als „Schreibaby“ wird ein Kind bezeichnet, das an mehr als drei Tagen in der Woche mehr als drei Stunden am Tag schreit – und das über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen.
Was sind die Ursachen des Schreiens?
Tatsächlich ist das noch immer nicht wirklich erforscht. Oft werden Problem im Magen-Darm-Trakt (Koliken) für das viele Weinen verantwortlich gemacht. Es gibt auch Babys, die sehr schnell überreizt sind und nicht gut abschalten können. Auch vorgeburtliche Angsterlebnisse oder eine traumatische Geburt können das Ankommen auf der Welt erschweren, sodass das Schreien der Verarbeitung der Erlebnisse dient.

Die Gründe für das Weinen können individuell ganz verschieden sein. Die Forschung ist oft sehr widersprüchlich. Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (Dimdi) in Köln hat einen Überblick veröffentlicht, in dem 22 internationale Untersuchungen zu Schreibabys betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie den Kindern am besten geholfen werden könnte. Eine Erkenntnis der Studie: die wenigsten Babys leiden tatsächlich an Koliken.
Dass echte Koliken nur selten für das Schreien verantwortlich sind, lässt sich auch daran ablesen, dass die betroffenen Säuglinge ihre Schmerzmimik bevorzugt vor und nicht nach den Mahlzeiten zeigen. Doch wenn keine körperlichen Ursachen vorliegen, was hilft dann?
Wie kann Schreikindern und ihren Eltern geholfen werden?
Die Autoren der Dimdi-Studie erklären, dass „ursprüngliche Basismodelle der Betreuung“ das exzessive Schreien am reduzieren. Dazu zählt häufiger Körperkontakt am Tag und in der Nacht, häufigeres Stillen und späteres Abstillen. Bei der Behandlung der Kinder habe persönliche Beratung und Unterstützung am besten geholfen. Vor allem Familienhebammen seien eine wichtige Hilfe.
Dass viele Eltern eines Babys, das häufig weint, sich überfordert und oft sehr verzweifelt fühlen, liegt nah. Eltern möchten alles richtig machen, tragen das Baby, bieten viel an und geraten doch ungewollt mit dem Baby gemeinsam in einen Teufelskreis. Sie sind gestresst, das Baby spürt die elterliche Gereiztheit und schreit noch mehr.
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Tipps der Hebamme:
Eltern untröstlich weinender Babys sind oft verzweifelt. Der Rat von Hebamme Birgit Laue: [quote]Bitte machen Sie sich unbedingt klar: Sie sind am Schreien Ihres Kindes nicht schuld![/quote]
Unglückliche Eltern und unglückliche Kinder sollten Hilfe annehmen. Manchmal hilft es schon, wenn Freunde und Verwandte die Eltern entlasten können, damit diese sich erholen und schlafen können.
Wichtig ist auch, herauszufinden, wann genau das Baby unruhig ist. Wann schreit es? Bei Trubel und lauten Geräuschen? „Dann sind lärmender Besuch und ein im Hintergrund dauerdudelndes Radio tabu“, so die Hebamme. Hilfreich ist ein „Schreitagebuch“, am besten über ein Woche lang geführt. „Halten Sie fest, wann und wie lange Ihr Baby schreit. Und auch, was Sie tagsüber tun und wie Ihr Baby darauf reagiert.“
Wann schläft das Baby am besten? Schreit es immer nach einem abendlichen Bad? „Dann verschieben Sie das Bad in die Morgenstunden oder waschen es mit einem Waschlappen“, rät Birgit Laue. Kleine wiederkehrende Rituale helfen dem Baby – und den Eltern – eine Tagesstruktur zu finden.
Auch Pucken, Tragen und Gehalten werden im Tragetuch, viel Körperkontakt, ein Osteopath oder homöopathische Arzneimittel, nach Absprache mit einem Experten, können helfen. Wichtig ist, dass die Eltern darauf achten, was ihrem Kind gefällt und was es beruhigt. „Mit der Zeit lernen Sie, die Signale ihres Babys immer besser zu verstehen. Und wenn Sie verstehen, was Ihr Baby Ihnen mit seinem Verhalten sagen möchte, fällt es Ihnen leichter darauf sinnvoll zu reagieren“, erklärt die Hebamme.
Die Hebamme Birgit Laue rät betroffenen Eltern: „Lassen Sie zunächst vom Kinderarzt untersuchen, ob körperliche Gründe als Schreiursache auszuschließen sind.“ Liegen keine organischen Problem vor, sollten sich Eltern an eine spezielle Beratungsstelle (s. unten) wenden.
Gut zu wissen: Der Begriff „Schreibambulanz“ ist nicht geschützt. Nicht jeder Kinderarzt ist ein „Babyflüsterer“. Wer sich in der Beratung nicht gut verstanden fühlt, sollte weitere Angebote aufsuchen.
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Hilfreiche Links und Literatur:
www.trostreich.de Interaktives Netzwerk für Eltern von Schreibabys, umfangreicher Überblick über Beratungs- und Therapieangebote
www.schreibabyambulanz.info Anlaufstellen in Deutschland und Österreich, nach Bundesländern geordnet. Therapeuten, die nach der ressourcenorientierten körpertherapeutischen Krisenbegleitung für Schwangerschaft, Baby- und Kleinkindzeit von Paula Diederichs ausgebildet sind.
Birgit Laue: „Das Baby 1×1. Die wichtigsten Hebammentipps fürs erste Jahr.“ Gräfe und Unzer 2012, 14,99 Euro, ISBN: 978-3-8338-2501-09
Christine Rankl: So beruhige ich mein Baby – Tipps aus der Schreiambulanz – Patmos Verlag; 14,90 Euro, ISBN: 978-3843600606
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